Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Krankheit: Demenz - die Schicksalsfrage der Nation

Krankheit

Demenz - die Schicksalsfrage der Nation

    • |
    Demenz - die Schicksalsfrage der Nation
    Demenz - die Schicksalsfrage der Nation

    Täglich erkranken 800 Menschen an Demenz. In Bayern gibt es nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft inzwischen über 160 000 Betroffene. Mit steigender Lebenserwartung und Zunahme der Hochaltrigen wird diese Zahl wachsen. Neuen Studien zufolge werden es bis zum Jahr 2050 mindestens doppelt so viele sein.

    Demenz und Alzheimer längst Volkskrankheiten

    Demenz in Deutschland

    Derzeit gehen Experten davon aus, dass jeder dritte Mann und jede zweite Frau damit rechnen muss, im Lauf des Lebens an Demenz zu erkranken.

    Das besagt der Pflegereport 2010 der Krankenkasse Barmer GEK. Die Zahl von 1,2 Millionen Demenzkranken wird sich demnach bis 2060 auf 2,5 Millionen mehr als verdoppeln.

    Von den Dementen gelten rund zwei Drittel als pflegebedürftig. Pro Monat braucht ein Demenzkranker im Schnitt gut 500 Euro mehr von den Pflege- und 300 Euro mehr von den Krankenkassen als ein durchschnittlicher Versicherter, hat der Autor der Studie, Heinz Rothgang, errechnet.

    Das sind rund 10 000 Euro im Jahr. Rechnet man die steigende Zahl der Dementen hoch, kommt man längerfristig auf einen zweistelligen Milliardenbetrag, der zusätzlich nötig wäre.

    Die Zahl der Pflegebedürftigen könnte laut Experten von derzeit mehr als 2,4 Millionen bis zum Jahr 2030 auf 3,4 Millionen steigen. 2050 könnte es laut Statistischem Bundesamt sogar 4,5 Millionen Pflegebedürftige geben. Hauptgrund ist die höhere Lebenserwartung.

    „Demenz wird die Schicksalsfrage der Nation“, sagt der Münchner Pflegeexperte Claus Fussek unserer Zeitung. Er kritisiert eine „jahrzehntelange beschämende politische Diskussion“ des Themas. „Man definiert die Not politisch einfach weg.“ Demenz und Alzheimer seien aber längst Volkskrankheiten. Kaum eine Familie, die künftig nicht davon betroffen sein werde, sei es durch die Erkrankung an sich oder als pflegende Angehörige, erklärt Fussek und fordert: „Wir müssen eine gesamtgesellschaftliche Lösung finden, um diese Familien zu entlasten. Und um die Versorgung bezahlbar zu machen.“

    Von der Leyen und Furtwängler stoßen Diskussion an

    Angestoßen wurde die aktuelle Diskussion durch zwei prominente Frauen: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und „Tatort“-Kommissarin Maria Furtwängler erzählten in einem Doppelinterview mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin über die Erfahrungen mit ihren demenzkranken Vätern. Sie warnen dabei unter anderem vor Betrügern, die arglose Demenz-Patienten ausnutzen wollen.

    Alzheimer - Das schleichende Vergessen

    Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz. In Deutschland gelten heute rund 1,2 Millionen Menschen als demenzkrank. Ungefähr 60 Prozent davon, rund 720.000, haben Alzheimer.

    Die Krankheit ist nach dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer benannt, der sie erstmals im Jahre 1906 wissenschaftlich beschrieben hat. Die Erkrankung des Gehirns führt zum Verlust von geistigen Funktionen wie Denken, Sprache, Urteilsfähigkeit und Orientierung sowie zum Absterben oder einer starken Schädigung von Gehirnzellen vor allem in der Hirnrinde.

    Alzheimer beginnt mit Vergesslichkeit und mangelndem Antrieb. Im weiteren Verlauf werden die gewohnten Handlungen immer schwieriger. Der Patient vergisst häufiger Worte, wird orientierungslos und kann sich nicht mehr erinnern. Einfache Handgriffe wie das Öffnen und Schließen von Knöpfen werden unmöglich.

    Schließlich verliert der Patient seine Selbstständigkeit und erkennt seine Angehörigen nicht mehr. Die Störungen des Denk- und Urteilsvermögens lassen ein normales Alltagslebens immer schwieriger werden. Viele Betroffene werden misstrauisch, aggressiv oder depressiv.

    Auslöser sind fehlgeleitete Stoffwechselvorgänge, die die Nervenzellen schädigen. Die für das Gedächtnis und die Aufmerksamkeit wichtigen Übertragungsstoffe im Gehirn können dann nicht mehr gebildet werden. Das Gehirn von Alzheimer-Kranken weist typische Eiweißablagerungen auf.

    Zwar kann die Krankheit bereits vor dem 50. Lebensjahr auftreten, ihre Häufigkeit nimmt mit dem Alter aber erheblich zu. Eine Heilung ist noch nicht möglich, durch eine rechtzeitige Therapie mit Medikamenten kann der Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit aber eine Zeit lang hinausgezögert werden. Auch Verhaltens-, Musik- oder Erinnerungstherapien können die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.

    Jährlich erkranken nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft fast 300.000 Menschen neu an Demenz und Alzheimer. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Zahl der Demenzkranken Schätzungen zufolge auf etwa 2,6 Millionen mehr als verdoppeln, sofern kein Durchbruch in der Prävention und Therapie gelingt.

    „Mein Vater war vollkommenes Opfer von diesen Glücksspielen am Telefon“, sagte Furtwängler, hinzu seien jeden Tag „mindestens 20 Briefe“ gekommen, in denen zu angeblichen Millionen-Gewinnen gratuliert wurde. Furtwänglers Vater starb im vergangenen Jahr. Von der Leyen sagte, am traurigsten mache sie, dass ihr Vater, Niedersachsens früherer Ministerpräsident Ernst Albrecht, sie ein Leben lang Röschen nannte. Jetzt frage er nur noch, „wann kommt Ursula nach Hause?“. Furtwängler wiederum räumte ein, dass sie sich oft geschämt habe, „dass der eigene Vater vertrottelt“.

    Anton Losinger: Folgen nicht weiter verdrängen

    Anton Losinger, Mitglied des Nationalen Ethikrates, sagte unserer Zeitung, es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, das Alter und seine Folgen wie Krankheit und Sterben nicht mehr weiter zu verdrängen. Es stünden dringende Fragen an. Unter anderem diese: Wie geht die Gesellschaft künftig mit dem Problem Selbstständigkeit der Demenzkranken um? Das Thema Fixierung der Kranken in Pflegeheimen sei bereits heute ein Riesenproblem, sagte der Augsburger Weihbischof.

    Ein weiterer Brennpunkt aufgrund der Demenzproblematik ist die „aktive Sterbehilfe“. Der Nationale Ethikrat hat der Bundesregierung empfohlen, dass sie in Deutschland weiterhin strafbar sein soll. Die These des Pflegekritikers Claus Fussek dazu klingt provozierend: „Wenn wir es als reiches und zivilisiertes Land nicht schaffen, kranken und sterbenden Menschen die Garantie zu geben, dass sie diesen letzten Lebensabschnitt würdevoll und schmerzfrei bewältigen können, dürfen wir sie auch nicht am Sterben hindern.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden