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Kramp-Karrenbauer: AKK am Ende: Über einen bitteren Tag für die CDU in Berlin

Kramp-Karrenbauer

AKK am Ende: Über einen bitteren Tag für die CDU in Berlin

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    Annegret Kramp-Karrenbauer gibt am Montag auch ihre Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur auf.
    Annegret Kramp-Karrenbauer gibt am Montag auch ihre Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur auf. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Es scheint fast so, als ob sich „Sabine“ einen Großteil ihrer Kraft für diesen Augenblick aufgespart hat. Denn just zu der Zeit, in der bei der CDU Historisches geschieht, dreht der Orkan über Berlin noch mal so richtig auf. Wind und Regen peitschen gegen die Fenster des Konrad-Adenauer-Hauses, als die

    Nichts, aber auch gar nichts hatte darauf hingedeutet, dass Annegret Kramp-Karrenbauer einen solch dramatischen Schritt tun wird. Vor wenigen Tagen lobte sie Deutschlands mächtigste Politikerin: Aus ihrer Sicht, versicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel unter der heißen Sonne Afrikas, könne

    Bereits zu Beginn der Sitzung in der Parteizentrale am Montag erklärt dann AKK dem Präsidium, so berichten es Teilnehmer, „dass es ein ungeklärtes Verhältnis von Teilen der CDU mit AfD und Linken gibt“. Und sie erhärtet ihren Kurs: Sie sei strikt gegen eine Zusammenarbeit mit

    Doch das ist nur Auftakt. Jetzt entfaltet der Orkan allmählich seine volle Stärke.

    Der „Parteivorsitz und K-Frage“ gehören für AKK zusammen

    Manch einem Präsidiumsmitglied bleibt – unter dem kleinen Kreuz an der Wand des Konferenzraums – der Mund offen stehen, als die Vorsitzende ihren Rückzug ankündigt. Sie strebe keine Kanzlerkandidatur an, trägt Kramp-Karrenbauer in ruhigem Ton vor. Sie habe dabei derart gefasst gewirkt, berichten Teilnehmer, dass es bei einigen in der Runde ein paar Sekunden gedauert habe, bis sie die Tragweite dieses Satzes begreifen. Denn „Parteivorsitz und K-Frage“, das bekräftigt die 57-Jährige, gehören für sie zusammen. Mit anderen Worten: Kramp-Karrenbauer hört als Parteivorsitzende auf.

    Der anschließende Schlagzeilen-Sturm übertrifft das Wetter draußen schließlich bei weitem. Zunächst schleichen sich Ungenauigkeiten ein. Kramp-Karrenbauer ist nicht etwa mit sofortiger Wirkung vom Parteiamt zurückgetreten. Nein, sie betont, sie wolle den „Prozess zur Suche nach einem Kanzlerkandidaten oder einer Kanzlerkandidatin“ als Parteivorsitzende anführen. Vonseiten des Spitzengremiums der Partei bekommt sie dafür große Unterstützung.

    „Großen Applaus“ habe es nach AKKs Worten gegeben, heißt es. Viele sprechen der Vorsitzenden ihren Dank aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt, sie bedauere die Entscheidung von Annegret Kramp-Karrenbauer sehr. Später allerdings wird ihr zum Vermächtnis von AKK nicht mehr einfallen, als dass diese für ein besseres Verhältnis zur CSU und für die Einleitung einer Grundsatzprogramm-Diskussion gesorgt habe.

    Das Ende politischer Karrieren wird meist von Stürmen begleitet, selten von Sonnenschein.

    Für Merkel ist der Rückzug ein Schlag ins Gesicht. Sie ist von Kramp-Karrenbauer erst kurz vor den anderen Spitzenpolitikern informiert worden. Sie hat keine Chance mehr, diesen Schritt zu verhindern, der für sie auch eine herbe persönliche Niederlage ist. Schließlich hat Merkel Kramp-Karrenbauer 2018 als CDU-Generalsekretärin aus dem Saarland nach Berlin geholt, um sie als ihre Nachfolgerin aufzubauen. Gestützt von guten Umfragewerten, schien AKK eine gute Wahl zu sein. Aber dafür, dass Kramp-Karrenbauer ihre erste Wahl war, hat Merkel sie nur wenig unterstützt. Nach dem Hamburger Wahlparteitag 2018 und Kramp-Karrenbauers knappem Sieg gegen Friedrich Merz stellte sie ihre Arbeit für die Partei praktisch ein. Auch AKK durfte nicht mehr viel von der Kanzlerin erwarten.

    Merkel hat sich durchgesetzt gegen all die Alpha-Tiere in ihrer Partei

    „Wenn ich mir genug Zeit genommen habe – die Zweifel und die Abwägungen ins rechte Lot und ins rechte Licht gebracht habe – dann bin ich auch der Meinung, dass ich hinterher nicht mehr hadern muss. Dann habe ich es durchdacht und dann wird der Weg auch gegangen“, hat Merkel einmal gesagt. Bei AKK hat sie sich offenbar dafür entschieden, dass die Saarländerin es alleine schaffen müsse. Wie sie. Und Merkel war das ja auch gelungen, sie hatte sich durchgesetzt gegen all die Alpha-Tiere in ihrer Partei, allen voran Helmut Kohl.

    Keine Unterstützung mehr. Selbst als AfD und CDU gemeinsam einem FDP-Politiker in Thüringen an die Spitze verhelfen, lässt Merkel jede Hilfe für AKK vermissen. Auf ihrer Afrika-Reise bricht sie zwar mit diplomatischen Gepflogenheiten und nutzt eine Pressekonferenz in Pretoria, um sich zur Lage in Erfurt zu äußern. Aber Merkel stützt die Parteivorsitzende dabei nicht mit einem einzigen Wort. Auch hinter den Kulissen wird nicht deutlich, dass die Kanzlerin zu ihr hält. Es gibt nur das Bestreben, die Aufmerksamkeit auf den CDU-Landesvorsitzenden Mike Mohring zu lenken und ihm die Schuld für alles zuzuschieben. Vordergründig soll AKK damit aus der Verantwortung genommen werden. Anderseits kennen sich Merkel und Mohring schon lange. Gut möglich, dass die Kanzlerin die Sturheit des Thüringers – der sich bei der Präsidiumssitzung am Montag dem Vernehmen nach nicht äußerte – einkalkuliert hatte und wusste, dass der sich von AKK nichts würde sagen lassen.

    Thüringen. Das „war doch nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sagt ein langjähriges CDU-Präsidiumsmitglied dazu. Es hat Recht: In der Tat greift die Lesart zu kurz, die völlig missglückte Ministerpräsidentenwahl sei der Auslöser für Kramp-Karrenbauers Entscheidung. Die Auslöser liegen viel weiter zurück.

    Egal, was sie anpackt, es gibt immer einen, der Annegret Kramp-Karrenbauer kritisiert. Das gilt für ihr Agieren nach dem Video des Youtubers Rezo, es gilt für ihre Vergangenheit als Karnevalsfigur Gretel. Sie gerät in die Kritik, weil sie Ambitionen auf einen Kabinettsposten abstreitet, es sich dann anders überlegt und Verteidigungsministerin wird. Sie gerät in die Kritik mit ihrem Vorschlag, eine von internationalen Truppen geschützte Sicherheitszone in Nordsyrien einzurichten. Gut gemeint, aber unrealistisch, so der Tenor.

    Der Plan, sich im Verteidigungsministerium für eine Kanzlerkandidatur in Position zu bringen, geht für Annegret Kramp-Karrenbauer nicht auf.

    AKK will die CDU für die Zukunft fitmachen, aber die Partei folgt ihr nicht

    Es gibt Spitzen, die ihr besonders wehtun. Im September darf sie nicht mit Merkel in einer Regierungsmaschine in die USA fliegen. Die beiden spielen die Sache runter, doch klar ist, dass sich die Verteidigungsministerin auf Merkels direkte Anweisung hin, einen anderen Flug suchen musste. Kramp-Karrenbauer flüchtet sich in Sacharbeit. Sie versucht, ihre Agenda als Ministerin abzuarbeiten. Gleichzeitig baut sie das Konrad-Adenauer-Haus um, organisiert zahlreiche Treffen, um die Wurzeln für ein neues Grundsatzprogramm zu pflanzen. AKK will die CDU für die Zukunft fitmachen. Aber die Partei ist nicht bereit, ihr auf diesem Weg zu folgen.

    Der Ausgang der Landtagswahl in Thüringen leitet den Abnabelungsprozess ein. Die CDU wird nach Linken und AfD nur drittstärkste Kraft. Die CDU-Mitglieder machen daraus „eine Wahl gegen die Bundespolitik“, eine Wahl gegen Kramp-Karrenbauer. Deren persönliche Umfragewerte sind ebenfalls tief abgerutscht, Kramp-Karrenbauer gerät in der eigenen Partei immer mehr in die Defensive. Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, stellt damals ihre Führungsqualitäten und ihre Zukunft als Parteivorsitzende in Frage. Er weiß sich dabei in bester Gesellschaft. Schon vor ihm hat etwa der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet Kritik an Kramp-Karrenbauer geäußert.

    Und es sind nicht nur die mit den Spitzenämtern, die unzufrieden sind. Auch die, die in der Fläche, in den Kreisverbänden, in den Turnhallen und auf den Marktplätzen für die CDU einstehen, sind unzufrieden. Nach der Sachsen-Wahl, wo die CDU mit 33 Prozent zwar stärkste Kraft wurde, aber die AfD ganz nah an sich heranlassen musste, stellt der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reiner Haseloff die Frage, die auch viele in den CDU-Spitzengremien beschäftigt: „Welchen Eindruck macht eigentlich die Bundesebene?“ Auf dem CDU-Bundesparteitag Ende November in Leipzig ist AKK von den ewigen Angriffen so genervt, dass sie volles Risiko geht und die Vertrauensfrage stellt. Ihr ewiger Widersacher Friedrich Merz hat soeben das Erscheinungsbild der Regierung als „grottenschlecht“ bezeichnet, AKK hat die Nase voll. Wenn die Partei ihren Weg nicht mitgehen wolle, „dann lasst es uns heute aussprechen – und dann lasst es uns heute auch beenden, liebe Freunde“, sagt sie.

    Sie zürnt Angela Merkel, die sie nach Berlin gelockt hat

    Ihre Entscheidung zum Rückzug sei „seit einer geraumen Zeit in mir gereift und auch gewachsen“, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag im Konrad-Adenauer-Haus. Und dabei wird erstmals auch öffentlich deutlich, dass sie der Frau zürnt, die sie nach Berlin gelockt und ihr eine blendende Karriere in Aussicht gestellt hat.

    Denn AKK macht eben nicht nur Thüringen für ihren Schritt verantwortlich. Mindestens genauso wichtig ist ihr der Hinweis, dass mit der Aufgabe des Parteivorsitzes durch Angela Merkel und die Trennung von Parteivorsitz und Kanzlerschaft „eine ungeklärte Führungsfrage einhergegangen“ sei, nämlich die Frage nach der Kanzlerkandidatur. „Die Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz schwächt die CDU in einer Phase, in der Deutschland auf eine starke CDU angewiesen ist“, sagt Kramp-Karrenbauer. Es ist dies der unverblümte Vorwurf an ihre Vorgängerin, dass die nicht auch den durchaus möglichen zweiten Schritt gegangen ist und für sie den Weg als Regierungschefin frühzeitig freigemacht hat.

    Orkan „Sabine“ wird bald Geschichte sein. Der Orkan aber, der über das politische Deutschland fegt, dürfte noch lange andauern.

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