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Kommentar: Wirecard-Skandal: Deutschland braucht eine Börsenaufsicht mit Biss

Kommentar

Wirecard-Skandal: Deutschland braucht eine Börsenaufsicht mit Biss

Stefan Stahl
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    Der Wirecard-Skandal soll nach Forderungen der Opposition umfassend aufgeklärt werden.
    Der Wirecard-Skandal soll nach Forderungen der Opposition umfassend aufgeklärt werden. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Der Chef der deutschen Finanzkontrolle, Felix Hufeld, entwickelt sich im Zuge des Wirecard-Skandals zu einer tragischen Gestalt. Noch hält Bundesfinanzminister Olaf Scholz an dem Boss der Behörde fest, die der Kontrolle seines Ministeriums untersteht. Hufeld eignet sich eben als idealer Sündenbock für den SPD-Politiker. Kann er doch alle Schuld auf ihn abschieben, in der Hoffnung, so vom eigenen Versagen in dem Fall ablenken zu können.

    Wirecard: Kritischere Kontrolleure wären notwendig gewesen

    Irgendwann ist wie bei anderen Wirtschaftsskandalen solch gigantischer Größenordnung aber der Punkt erreicht, wo personelle Konsequenzen unausweichlich sind. Im Zweifel verfügt hier der potenzielle SPD-Kanzlerkandidat Scholz über das bessere Sitzfleisch als ein massiv in die Kritik geratener Behördenchef. Hufeld würde dann auch daran scheitern, dass er seine hohen Ansprüche („Aufsicht muss beißen können“) in der Wirklichkeit nicht durchsetzen kann. Denn im Wirecard-Skandal hat die Bafin nicht gebissen, ja sie hat das seit Jahren in der Kritik stehende Unternehmen nicht einmal ordentlich gezwickt. Die peinliche Beiß- und Zwickhemmung bleibt bis heute unerklärlich. Fast scheint es, als hätten sich Bafin-Mitarbeiter ohne Not selbst einen Maulkorb verpasst.

    Um das Wirecard-Lügengebäude früher zum Einsturz zu bringen, wären besser ausgebildete und kritischere Kontrolleure notwendig gewesen. Spezialisten wissen, wo man knabbern muss, um Bilanzbetrug auf die Schliche zu kommen. Es hätte also Menschen bedurft, die sowohl etwas von Informatik als auch von Wirtschaft verstehen. Mit dem Rüstzeug wären sie in der Lage gewesen, die Welt der Fintechs, also der Mischung aus Technologie- und Finanzunternehmen, zu denen Wirecard gehört, besser zu durchschauen.

    Denn die meisten Beobachter staunten nur, wie das Unternehmen mit der Abwicklung von Online-Bezahlungen dank spezieller Software-Lösungen derart viel Geld verdient. Das wiederum machten sich die Wirecard-Chefs um Markus Braun zunutze und stellten sich als große Innovatoren dar, wo sie doch wahrscheinlich nur Betrüger waren, die Umsätze schlicht erfunden haben. Das Aufkommen neuer Technologien, die für viele ein Mysterium sind, begünstigt also fantasiebegabte und dreiste Betrüger.

    So funktioniert das Geschäft von Wirecard

    Geschäftsmodell Wirecard ist eines der Unternehmen, deren Dienste Verbraucher oft in Anspruch nehmen, ohne es zu wissen. Das Unternehmen, das seinen Sitz in Aschheim bei München hat, wickelt Kartenzahlungen sowohl an Ladenkassen als auch im Onlinegeschäft ab. Zu den Kunden zählen zum Beispiel die Airline KLM, der Haushaltsartikelspezialist WMF oder der Paketdienst FedEx.

    Kooperation Für das Kerngeschäft hat Wirecard in Europa eine Bank, die als Mittelsmann dafür sorgt, dass das Geld von den Kartendiensten zu den Händlern kommt. In anderen Ländern, wo Wirecard keine solchen Lizenzen hat, arbeitet die Firma dafür mit Partnern zusammen. Dieser Teil des Geschäfts stand im Mittelpunkt der „Financial Times“-Berichte, in denen von potenziell künstlich aufgeblähten Umsätzen die Rede war.

    Dienstleistungen Zugleich bietet Wirecard eine Palette von Dienstleistungen rund ums Bezahlen an. Neben der Integration in Kassensysteme und der Unterstützung verschiedener Bezahlmethoden gehören dazu Sicherheitsvorkehrungen gegen Betrugsversuche. Ein weiterer Service ist die Auswertung von Daten, die Kunden eine bessere Steuerung ihres Geschäfts ermöglichen soll.

    Aktie Wirecard ist im Dax gelistet. Noch Mitte Juni notierte das Papier bei rund 100 Euro. Binnen eines einzigen Tages verlor die Wirecard-Aktie am vergangenen Donnerstag 61,8 Prozent an Wert. Es war der zweitgrößte Verlust in der Dax-Geschichte. Nur die Hypo Real Estate büßte noch mehr ein (73,9 Prozent am 29. September 2008). Zuletzt rutschte der Titel weiter ab – auf unter 20 Euro.

    Um solchen Tätern früher auf die Schliche zu kommen, ist eine schwerfällige Behörde wie die Bafin nicht sonderlich geeignet, selbst wenn sie mehr Kompetenzen bekommt. Hierzu bedarf es spezialisierter und erfahrener Ermittler, die sich mit dem Kapitalmarkt und neuen Technologien auskennen. Als Lehre aus dem Fall „Wirecard“ bietet sich die Einrichtung einer personell gut ausgestatteten Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft mit Juristen an, die sich langfristig mit komplexen Finanzthemen beschäftigen können.

    Konsequenz aus Wirecard-Desaster: Wirtschaftsprüfer austauschen

    Das alles läuft indes ins Leere, wenn Wirtschaftsprüfer wie bei Wirecard nicht einmal wissen, dass sie mit einem Gebiss ausgestattet sind. Die Truppe von EY hat sich als Bilanz-Schmuseverein entpuppt. Ihr Versagen ist noch eklatanter als die zu defensive Haltung der Bafin. Es bleibt ein Rätsel, warum die EY-Leute nach Warnungen nicht schon frühzeitig nachgeforscht haben, ob die 1,9 Milliarden Euro auf philippinischen Konten existieren.

    Hätten die EY-Mitarbeiter ihr Handwerkszeug beherrscht, wäre aufgeflogen, dass es sich um nicht existierende Summen handelte. Die Konsequenz aus dem Desaster muss sein, dass Wirtschaftsprüfer nicht wie heute zehn Jahre und länger Bilanzen eines Unternehmens testieren, sondern nach fünf Jahren einfach gegen eine Konkurrenz-Firma ausgetauscht werden. So kommt zum Schmusen verleitende Nähe zwischen Prüfern und Geprüften natürlich schwerer auf.

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