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Kommentar: Wirbel um Sarrazin und Kochs Abschied

Kommentar

Wirbel um Sarrazin und Kochs Abschied

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    Michael Pohl
    Michael Pohl Foto: AZ

    Der eine geht freiwillig, der andere soll zwangsweise gehen: Der Abschied von Roland Koch und der Wirbel um Thilo Sarrazin bewegen viele Menschen im Land. Die einen weinen dem CDU-Ministerpräsidenten keine Träne nach und empören sich über den Bundesbanker mit SPD-Parteibuch. Andere trauern Koch als letztem großen Konservativen der Union nach und freuen sich über die von Sarrazin angestoßene Debatte über Integrationsprobleme, Sozialmissbrauch und die Gefahren der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung Deutschlands.

    Gerade an der Basis der Union wünschen sich viele einen Spitzenpolitiker, der wie Sarrazin diese Themen auf die politische Tagesordnung setzt. Und von der Union enttäuschte Wähler sehnen sich offen nach einer neuen Partei rechts von der Mitte: Am besten mit Galionsfiguren wie Koch, Sarrazin, dem CDU-Ex-Fraktionschef Friedrich Merz und dem Ex-SPD-Mann Wolfgang Clement. Als schillerndes Beiwerk wird in konservativen Kreisen oft auch die in Ungnade gefallene Ex-Tagesschau-Sprecherin Eva Herman genannt. Anders als viele ihrer Vorgänger scheint CDU-Chefin Angela Merkel auf das berühmte Diktum von Franz Josef Strauß wenig zu geben, rechts von der Union dürfe es keine demokratische Partei geben.

    Für die machtbewusste Kanzlerin gilt als Leitmotiv, Wahlen werden in der Mitte entschieden. Wenn die Gesellschaft scheinbar nach links rückt, müsse demnach die Union folgen. Kritiker in ihrer Partei verweisen darauf, dass die sogenannte konservative Stammklientel bei den vergangenen Landtagswahlen den Abstimmungen immer öfter ferngeblieben sei. Die Union vernachlässige Kernthemen wie die Innere Sicherheit. Selbst Bundesinnenminister Thomas de Maizière wird parteiintern ein zu liberales Amtsverständnis angekreidet. Doch ob diese Erklärungsmuster tatsächlich die Krise der Union erklären können, ist zweifelhaft: Auch Roland Koch wäre um Haaresbreite als Wahlverlierer an der SPD-Linken Andrea Ypsilanti gescheitert.

    Edmund Stoiber erfüllte viele konservative Sehnsüchte bei der Bundestagswahl 2002. Doch außerhalb Bayerns, auf CDU-Territorium ließ ihn die vermeintliche Gefolgschaft derart im Stich, dass es den CSU-Mann die Kanzlerschaft kostete. Konservativ alleine reicht als Überzeugungsmerkmal in der ideologisch immer weniger gebundenen Wählerschaft offensichtlich nicht aus. Auch die von manchen herbeigesehnte neue Mitte-Rechts-Partei hat kaum Chancen, über ein Gedankenspiel hinauszukommen. Alle derartigen Versuche scheiterten bislang schon allein daran, dass solche Neugründungen magisch politikunfähige Anhänger anziehen, sich am Ende sich selbst zerreiben oder außerhalb des demokratischen Spektrums landen. Dieses Risiko wird kaum einer der genannten Politprofis eingehen wollen.

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