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Kommentar: Wir machen es dem Coronavirus viel zu einfach

Kommentar

Wir machen es dem Coronavirus viel zu einfach

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    Trotz steigender Infektionszahlen haben Tausende Menschen in Berlin protestiert.
    Trotz steigender Infektionszahlen haben Tausende Menschen in Berlin protestiert. Foto: Christoph Soeder/dpa

    Alle Welt bewundert Deutschland dafür, dass es bisher besser durch die Corona-Pandemie gekommen ist als die meisten anderen Länder. Doch jetzt wird das Erreichte leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Eine zweite Welle mit vielen Todesopfern wird immer wahrscheinlicher, weil zu viele Menschen in der Hitze des Sommers Mut und Leichtsinn verwechseln – was schon immer lebensgefährlich war.

    Auf Demos gegen die Infektionsschutzmaßnahmen wie am Wochenende in Berlin pfeifen zahlreiche Teilnehmer provokativ auf Abstand und Maske. Bei illegalen Partys, nächtlichen Gelagen und an überfüllten Badestränden entsteht der Eindruck, die hoch ansteckende und potenziell tödliche Lungenkrankheit hätte es nie gegeben. Busfahrer werden angegriffen, wenn sie auf die Mundschutzpflicht hinweisen. Infektionszahlen steigen wieder.

    Fast täglich sehen wir Bilder von Menschenmassen

    Dabei wäre jetzt eigentlich die Zeit, die bisher erreichten Erfolge zu verstetigen. Warme Temperaturen böten die Chance, die Abwehrkräfte der ganzen Gesellschaft für die kalte Jahreszeit zu stärken. Im Freien wäre maßvolles Abstandhalten gerade kein Problem, doch stattdessen sehen wird fast täglich Bilder von Menschenmassen.

    So hart die vergangenen Monate mit all ihren Einschränkungen auch waren, haben sie doch wichtige Erkenntnisse gebracht. Wenn wir einige wenige grundlegende Regeln beachten, lieber einmal zu oft vorsichtig sind, wird das Risiko einer Übertragung des Virus stark reduziert und vieles ist möglich. Wir haben gelernt, unter Pandemiebedingungen zu arbeiten, einzukaufen, den Kontakt mit Familie und Freunden zu halten, Urlaub zu machen. Dass auf einige Dinge einstweilen noch verzichtet werden sollte, mag schmerzhaft sein. Es ist aber verkraftbar, zum Schutz der Allgemeinheit eine Weile ohne Massenveranstaltungen auszukommen. Doch von der anfangs oft beschworenen Solidarität mit Älteren und Risikopatienten ist kaum mehr etwas zu spüren. In unzähligen Alltagssituationen, beim Einkaufen oder in Bus und Bahn, zeigt sich ein trotzig-resigniertes Beharren auf Verhaltensweisen, deren Folgen hinlänglich bekannt sind. Anders gesagt: Manche Menschen verhalten sich gerade wie die Lungenkrebspatienten, die sich vor der Klinik zum Rauchen treffen.

    Dicht gedrängt und ohne die Abstandsregeln zu beachten stehen Tausende bei einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen auf der Straße des 17. Juni.
    Dicht gedrängt und ohne die Abstandsregeln zu beachten stehen Tausende bei einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen auf der Straße des 17. Juni. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Die Gesellschaft droht, in der Corona-Normalität zu versagen

    Ja, diese Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung sind eine Zumutung. Die größte Zumutung aber ist der Tod, weltweit hat Covid-19 schon viel zu viele Leben gefordert, knapp 700.000 Corona-Tote sind bestätigt. Horrorbilder mit Massengräbern und Lastwagen voller Leichen sind uns in Deutschland erspart geblieben, zum Teil zum Glück, zum anderen Teil durch Disziplin und eine nicht fehlerfrei, aber doch insgesamt umsichtig handelnde Politik.

    Im Corona-Ausnahmezustand hat sich die Gesellschaft bewährt, jetzt droht sie in der Corona-Normalität zu versagen. Es scheint, als ginge uns bereits die Kraft aus, dabei haben wir vielleicht erst einen kleinen Teil eines langen, steinigen Weges geschafft. Doch wir sollten nicht resignieren oder unsere Hoffnung allein auf einen Impfstoff setzen. Von dem weder klar ist wann, noch ob er überhaupt kommt.

    Sicher ist dagegen, dass der Herbst kommt. Dann kehren die Urlauber zurück in die Betriebe, dann besuchen Kinder wieder Schulen und Kitas, dann verlagert sich das Leben nach drinnen. In geschlossenen Räumen aber ist die Ansteckungsgefahr höher als an der frischen Luft. Es hilft nichts. Wir müssen uns jetzt zusammenreißen, gleichzeitig muss der staatliche Druck auf die Unbelehrbaren wieder zunehmen. Sonst droht eine zweite Welle, die weit verheerender wird, als die erste. 

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