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Kommentar: Wir brauchen Autos und saubere Luft in unseren Städten

Kommentar

Wir brauchen Autos und saubere Luft in unseren Städten

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    Demonstration vor dem Bundesverkehrsministerium anlässlich des Diesel-Gipfels im August 2018.
    Demonstration vor dem Bundesverkehrsministerium anlässlich des Diesel-Gipfels im August 2018. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Wenn sich nun Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin mit Bürgermeistern deutscher Städte trifft, dann geht es um eine entscheidende Frage: Wie kann die Luft in den deutschen Großstädten sauberer werden, ohne dass man Autofahrer aussperren muss?

    Zuletzt hatten Verwaltungsgerichte in Städten wie Stuttgart und München wegen dauerhafter Überschreitung von Stickoxid-Grenzwerten Diesel-Fahrverbote gebilligt. Nun kann man von den EU-Grenzwerten halten, was man will. Sie sind möglicherweise zu streng. Aber sie sind europaweit rechtsgültig und damit einklagbar.

    Außer manchen Umweltaktivisten kann aber niemand Verbote wollen. Sie hätten fatale Folgen: Der Wertverfall älterer Selbstzünder käme für die Besitzer einer Enteignung gleich. Bewohner müssten ihre Diesel am urbanen Rand parken. Für Gäste verlöre die Stadt Attraktivität, was Gastronomie und Einzelhandel in Bedrängnis brächte. Wir brauchen also saubere Luft und Autos in unseren Städten.

    Volkswagen: Die Geschichte der Abgasaffäre

    Volkswagen ist seit dem 18. September 2015 offiziell in einen Abgasskandal verstrickt. Der Skandal wird auch VW-Abgasaffäre oder Dieselgate genannt.

    Was hinter der Affäre steckt? VW hatte illegal eine Abschalteinrichtung in die Motorsteuerung aller Diesel-Fahrzeuge eingebaut. Mit der Software wollte man den Abgasnormen in den USA entgehen.

    Dieselgate wurde von der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) mit aufgedeckt.

    Die Software wurde nach Angaben von Volkswagen in etwa elf Millionen Fahrzeugen mit der Motorenreihe VW EA189 weltweit eingebaut, in den USA ist demnach auch die Nachfolgereihe VW EA288 betroffen. Anderen Berichten zufolge wurde die Software allerdings für vier verschiedene Motorentypen angepasst.

    Der Skandal weitete sich auch auf Fahrzeuge von Porsche und Audi aus. Der Vorstandsvorsitzende der Volkwagen AG, Martin Winterkorn, zog die Konsequenzen aus dem Skandal und trat zurück. Sein Nachfolger wurde Matthias Müller, bislang Vorstandsvorsitzender der Porsche AG.

    Auch an Dieselfahrzeugen anderer Hersteller aus Deutschland und von internationalen Herstellern wurde nach Bekanntwerden der Abgasaffäre nachgeforscht. Häufig wurden ebenfalls überhöhte Schadstoffwerte festgestellt. Dieselgate von Volkswagen war Auslöser einer internationalen Krise der gesamten Automobilindustrie.

    Anfang 2016 soll die vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordnete Rückrufaktion gestartet werden. In ganz Deutschland sollen bundesweit im Laufe des Jahres 2,4 Millionen Diesel-Autos in die Werkstatt. Der Start der Rückrufaktion verzögert sich.

    Die Amerikaner verklagen Volkswagen. In den USA sollen mehr als 600.000 Fahrzeuge von der Abgasaffäre betroffen sein.

    Außerdem bestätigt das Landgericht Braunschweig gegenüber dem NDR, dass 278 Aktionäre Volkswagen auf insgesamt 3,255 Milliarden Euro verklagent. Die Anleger fordern Schadenersatz als Ausgleich für die Kursverluste durch den Diesel-Skandal.

    Für Volkswagen wird allein die Aufarbeitung des Skandals in den USA immens teuer. Die Entschädigungen und Strafzahlungen sollen sich auf 14,7 Milliarden Dollar (13,3 Milliarden Euro) voraussichtlich belaufen. (AZ)

    Bayern hat als erstes Bundesland eine Klage gegen VW angekündigt. Voraussichtlich im September werde der bayerische Pensionsfonds Klage auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen von Volkswagen einreichen, sagte eine Sprecherin des bayerischen Finanzministeriums. Die Vorbereitung der Klage laufe bereits. Bayern will sich mit der Klage einen sogenannten Kursdifferenzschaden zurück holen.

    Deshalb sollten die Großstädte nun mit deutscher Gründlichkeit daran gehen, die Grenzwerte für Stickoxid, Feinstaub und Kohlendioxid einzuhalten. Eine andere Wahl zur Vermeidung von Fahrverboten haben sie nicht. Nur glaubwürdiges Bemühen um saubere Luft wird Gerichte überzeugen, von

    Bei ihren Bemühungen brauchen die Bürgermeister aber massive Unterstützung. Die Herstellung gesunder urbaner Lebensverhältnisse ist auch die Aufgabe von Bund, Ländern sowie der Autoindustrie, die den Karren mit ihrem Abgasbetrug in den Dreck gefahren hat. Deswegen sind das Berliner Spitzentreffen und der im Oktober angesetzte Diesel-Gipfel so wichtig.

    Der Verkehrs-Mix von morgen ist entscheidend

    Die Route zur sauberen Großstadt ist längst vorgezeichnet und wird in Berlin bestätigt werden. Es braucht ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. Es ist falsch, nur auf die Förderung von Elektro-Mobilität zu setzen. Auch emissionsarme Diesel und Benziner, Antriebe mit Erdgas oder Wasserstoff werden eine wichtige Rolle im Verkehrs-Mix der Zukunft spielen.

    In der schwäbischen Bezirkshauptstadt Augsburg sind die Umrisse des Maßnahmenkatalogs bereits erkennbar: Im öffentlichen Nahverkehr fahren elektrische Straßenbahnen und Erdgas-Busse. Die Stadt bemüht sich, attraktiver für Fahrradfahrer zu werden, und versucht, Verkehrsströme um die Innenstadt herum zu leiten.

    Auch Carsharing befindet sich im Aufbau, ist in Augsburg aber längst nicht so erfolgreich wie in Millionenstädten wie Hamburg und Berlin, wo private Anbieter flexible Angebote machen.

    500 Millionen Euro sind zu wenig für saubere Luft

    Warum verbraucht ein Diesel weniger als ein Benziner?

    Dieselmotoren benötigen für die gleiche Kilometerstrecke weniger Kraftstoff als Benziner. Sie sind traditionell 20 bis 30 Prozent sparsamer im Verbrauch, weil Diesel über eine höhere Energiedichte verfügt und Dieselmotoren das Luft-Kraftstoff-Gemisch wesentlich stärker verdichten. Diese bessere thermische Ausnutzung der Energie im Kraftstoff erhöht den Wirkungsgrad, wie die Experten vom TÜV Nord erläutern.

    Dieselmotoren werden anders als Benzinmotoren nicht gedrosselt. Um die Leistung zu regeln, muss das Luft-Kraftstoff-Gemisch beim Ottomotor in einem bestimmten Verhältnis gemischt werden, damit es zündfähig bleibt. Eine Drosselklappe reduziert die angesaugte Luft. Beim Diesel wird immer die volle Luftmenge angesaugt und so hoch verdichtet, dass das Gemisch bei 700 bis 800 Grad von selbst zündet.

    Beim Turbodiesel wird dazu zuvor komprimierte Luft dem Brennraum zugeführt (Aufladung). Weiterhin verfügen Diesel im unteren Drehzahlbereich über ein höheres Drehmoment, also über mehr Kraft. Das spart Energie. Allerdings erreichen moderne Benzinmotoren fast den Wirkungsgrad von Dieselmotoren, so- dass der Spareffekt gegenüber den Selbstzündern zunehmend geringer wird.

    In allen großen Städten ist die Umrüstung des kommunalen Fuhrparks ein Thema. Geschätzt fahren weit über 100.000 städtische Fahrzeuge bundesweit mit Alt- Dieseln. Auch der Austausch von Diesel-Taxis würde die Luft verbessern. Und zum Maßnahmen-Mix gehören optimierte Verkehrssteuerungen, die mehr flüssige grüne Wellen statt roter Stop-and-go-Routen ermöglichen.

    Aber das alles kostet viel Geld. Bund, Länder und die Autoindustrie haben die Aufgabe, die Kommunen zu unterstützen. Sie sollten den Mobilitätsfonds aufstocken, der beim ersten Diesel-Gipfel beschlossen wurde. 500 Millionen Euro sind zu wenig. Saubere Luft in den Städten ist mehr wert.

    Wer selbst dazu beitragen möchte, kann das übrigens auch kostenlos tun. Manchmal kann man in der Stadt das Auto stehen lassen. Es gibt Wege, die sind zu Fuß oder mit dem Fahrrad möglich, wenn es die Gesundheit zulässt.

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