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Kommentar: Wie Trump die Fakten einfach abgeschafft hat

Kommentar

Wie Trump die Fakten einfach abgeschafft hat

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    Donald Trump ist Präsident der USA. Die Opposition möchte ihn seines Amtes entheben. Doch für ihn gibt es Hoffnung auf Rettung.
    Donald Trump ist Präsident der USA. Die Opposition möchte ihn seines Amtes entheben. Doch für ihn gibt es Hoffnung auf Rettung. Foto: Manuel Balce Ceneta, dpa

    Wer den aktuellen Gemütszustand des amerikanischen Präsidenten erkunden will, der muss auf Twitter gehen. Donald Trumps Kurznachrichtenkonto funktioniert wie ein Pulsmesser: Schießt die Frequenz an Kurzbotschaften in die Höhe, rast offenkundig die Pumpe des Patienten. So war es auch an Weihnachten. "Die radikale Linke ist durchgedreht!", polterte Trump am Heiligabend noch vor der Bescherung. Am ersten Feiertag erregte er sich immer noch über die "verrückte Nancy Pelosi".

    Der Furor des Poltergeists in seinem Feriendomizil in Florida hat einen Grund. Trump schreibt nämlich gerade Geschichte – allerdings anders, als es ihm lieb ist: Als dritter Präsident der USA muss er sich einem Amtsenthebungsverfahren stellen, weil er nach übereinstimmenden Aussagen zahlreicher Zeugen den ukrainischen Präsidenten mit der Aussetzung einer zugesagten Militärhilfe zu einer Schmutzkampagne gegen seinen Rivalen Joe Biden genötigt hat.

    So offensichtlich die persönliche Kränkung des Narzissten durch das Verfahren ist, so ungewiss ist der politische Ausgang. Dass Trump am Ende tatsächlich aus dem Oval Office vertrieben wird, erscheint extrem unwahrscheinlich. Die Anhörungen haben nicht zu einer Empörungswelle in der amerikanischen Öffentlichkeit geführt, in Umfragen verharren die Zustimmungswerte zur Amtsenthebung bei 45 bis 50 Prozent. Die Republikaner, die im Senat die Mehrheit halten, sind in den vergangenen Jahren zu einem Haufen opportunistischer Günstlinge und Söldner des Präsidenten verkommen. Sie werden alles tun, um ihn zu retten.

    Politik wurde in den USA unter Trump zur Glaubenssache

    Politik ist in Amerika unter Trump endgültig zur Glaubenssache geworden, und die Impeachment-Debatte hat die Fronten in der Gesellschaft weiter betoniert. Wer abends die krachledernen Agitationsshows im rechten Fernsehsender Fox News einschaltet, der katapultiert sich in eine Parallelwelt. Von den unzähligen Lügen, der skrupellosen Einschüchterung aller Kritiker und der versuchten Wahlmanipulation durch den Staatschef ist dort nicht die Rede. Stattdessen mutiert Obamas Ex-Vize Joe Biden zum finsteren Vertreter des korrupten Establishments, und es sind die Demokraten, die mit einer angeblichen Verleumdungskampagne die Präsidentschaftswahl von 2016 rückgängig machen wollen.

    Die Dauerbeschallung der Öffentlichkeit durch rechte Medien, Verschwörungstheoretiker und den Twitterkanal des Präsidenten verfehlt ihre Wirkung nicht: Immer unwichtiger werden Fakten, immer relativer erscheint die Wirklichkeit. Fast 90 Prozent der Trump-Wähler stehen ungerührt hinter ihrem Idol. Gleichzeitig führt die Inflationierung der Tabubrüche durch Trump zu deren Banalisierung. Wer wundert sich noch ernsthaft, dass der Präsident der USA dem Parlament seine Rechte verweigert und wichtige Dokumente und Zeugen zurückhält? Dass er mitten in der Untersuchung seinen Anwalt Rudy Giuliani erneut in die Ukraine reisen lässt, um die Intrige gegen Biden zu befeuern?

    Behält Trump mit seinem zynischen Spruch Recht?

    Trump hat einmal gesagt, er könne einen Menschen auf der Fifth Avenue erschießen, ohne dass dies jemand aufrege. Die nächsten Monate werden zeigen, ob er mit diesem zynischen Spruch recht behält. Mit seiner demonstrativen Geringschätzung der Gesetze und der Verfassung ist der Möchtegern-Autokrat eigentlich der Musterkandidat für eine Amtsenthebung.

    Wenn das Verfahren im Senat trotzdem niedergeschlagen wird, ist dies kein Beweis für seine Unschuld, sondern für die zunehmende Zersetzung der unabhängigen Institutionen durch diesen Präsidenten.

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