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Kommentar: Wie Erdogan die Demokratie in der Türkei demontiert

Kommentar

Wie Erdogan die Demokratie in der Türkei demontiert

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    Der türkische Staatschef Erdogan will seine Machtposition weiter stärken.
    Der türkische Staatschef Erdogan will seine Machtposition weiter stärken. Foto: Legnan Koula (dpa)

    Wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan klagt, dass im Ausland die Dimension des Putschversuchs vom 15. Juli nicht richtig erkannt wurde, dann hat er recht. Man kann Erdogan mögen oder nicht, aber der Versuch, die gewählten Repräsentanten des türkischen Volkes kaltzustellen und womöglich zu ermorden, war ein brutaler Anschlag auf die Demokratie. Doch in vielen Hauptstädten wurde nonchalant darüber hinweggegangen, Solidaritätsbesuche in Ankara hatten Seltenheitswert.

    All dies gibt dem türkischen Präsidenten aber nicht das Recht, nun seinerseits die Verfassung zu brechen und die Menschenrechte mit Füßen zu treten. Den Ausnahmezustand, der kürzlich wieder um 90 Tage verlängert wurde, muss man wohl akzeptieren. Auch in Frankreich verfügt Präsident Hollande nach den islamistischen Anschlägen von Paris im vergangenen November noch immer über außerordentliche Kompetenzen. Aber Erdogan hat in seiner Wut über die Putschisten von Anfang an jedes Maß vermissen lassen. Die Foltervorwürfe, die jetzt von Menschenrechtsorganisationen erhoben werden, passen daher nahtlos in das unschöne Bild, das die Türkei seit dem Umsturzversuch abgibt.

    Erdogan nutzte den gescheiterten Putsch, seine Macht auszubauen

    Erdogan nutzte den gescheiterten Putsch umgehend dazu, um mit seinen Gegnern im eigenen islamisch-konservativen Lager gnadenlos abzurechnen – und seine Macht auszubauen. Die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, mit dem Erdogan zusammenarbeitete, bis sich die beiden Männer zerstritten, wurde der Urheberschaft beschuldigt. Unstrittig ist, dass Mitglieder der Gruppe am Putsch beteiligt waren. Aber ob Gülen, der im Exil in den USA lebt, den Aufruhr angezettelt hat, ist nicht zu beweisen. Dennoch sitzen seit dem Putsch nicht nur 30000 Verdächtige in U-Haft, sondern es wurden auch 50000 Gülen-Anhänger aus dem Öffentlichen Dienst entlassen und mehr als 100 Medien, die dem Prediger nahestehen, geschlossen. Erdogan ließ also nicht nur Putschisten jagen, sondern entledigte sich im selben Aufwasch auch seiner Kritiker.

    Das Gülen-Lager war für den Präsidenten gefährlich geworden: Von dort sollen 2013 die Korruptionsvorwürfe gegen Söhne von Ministern der Erdogan-Partei AKP lanciert worden sein. Doch anstatt die Korruption zu bekämpfen, ließ und lässt Erdogan lieber Staatsanwälte, Richter und Medien ausschalten. So gerät die Türkei in eine Abwärtsspirale: Ein System, das keine Kritik zulässt, verliert seine Dynamik und erstickt an seinen eigenen Fehlern.

    Mit einer Änderung des politischen Systems will Erdogan es Putin gleichtun

    Der Möchtegern-Sultan fühlt sich indes obenauf und will den lange gehegten Wunsch einer Verfassungsänderung wahr werden lassen: Per Volksabstimmung soll in dem Land, dessen Staatsoberhaupt eher repräsentative Aufgaben hat, im kommenden Frühjahr das Präsidialsystem eingeführt werden. Erdogan, der als erster türkischer Präsident direkt vom Volk gewählt wurde, könnte so in die Liga autoritärer Potentaten aufsteigen, in der etwa Russlands Wladimir Putin zu Hause ist. Türkische Nationalisten mag dies befriedigen. Aber Demokraten können nur dringend davor warnen.

    Anstatt alles zu tun, um seine Macht auszubauen, sollte Erdogan lieber die großen Probleme seines Landes anpacken. Insbesondere der Terror setzt der Türkei zu: Sowohl radikale Kurden als auch IS-

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