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Kommentar: Wenn Gabriel plötzlich wie Seehofer klingt

Kommentar

Wenn Gabriel plötzlich wie Seehofer klingt

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    Vizekanzler Sigmar Gabriel versucht, die SPD in der Flüchtlingskrise als pragmatische Partei in der Mitte zu positionieren. (Archivbild)
    Vizekanzler Sigmar Gabriel versucht, die SPD in der Flüchtlingskrise als pragmatische Partei in der Mitte zu positionieren. (Archivbild) Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)

    Es sieht nicht gut aus für die SPD vor den Landtagswahlen im März. In Baden-Württemberg droht ihr bei Umfragewerten um die 15 Prozent ein Debakel, nebenan in Rheinland-Pfalz wackelt Ministerpräsidentin Malu Dreyer – und in Sachsen-Anhalt ziehen im schlimmsten Fall sogar die Rechtspopulisten von der AfD an den Sozialdemokraten vorbei. Sigmar Gabriel ist dafür zwar nur mittelbar verantwortlich, auf Milde allerdings sollte er am Abend des 13. März lieber nicht hoffen. Im Zweifel ist bei den Genossen immer nur einer schuld: der Chef.

    Gabriels Versuch, die SPD auch in der Flüchtlingskrise als bodenständige, pragmatische Partei der Mitte zu positionieren, mag in den eigenen Reihen umstritten sein – tatsächlich folgt er einer schlichten Logik: Den Menschen, die in den Flüchtlingen vor allem neue Konkurrenten um Arbeitsplätze oder günstigen Wohnraum sehen, den Niedriglöhnern, Arbeitslosen und anderweitig Benachteiligten, fühlt sich die SPD seit jeher besonders verpflichtet. Deren Sorgen nicht ernst zu nehmen, hieße auch, die Axt an den eigenen Stamm zu setzen. Wer Obergrenzen für reaktionären Unsinn hält und jede Verschärfungen des Asylrechts aus Prinzip ablehnt, entscheidet sich in der Wahlkabine ohnehin für die Grünen und nicht für die SPD.

    Gabriel steht in der Flüchtlingskrise zwischen Merkel und Seehofer

    So gesehen darf es die Sozialdemokratie schon um ihrer selbst willen mit der Willkommenseuphorie nicht übertreiben. Gabriel hat das früher als andere gespürt, vielen seiner Genossen aber klingt der Vizekanzler schon zu sehr nach CSU-Chef Horst Seehofer, wenn er plötzlich selbst eine Obergrenze von 500.000 Flüchtlingen pro Jahr ins Spiel bringt oder dazu rät, die Grenzen unserer Aufnahmebereitschaft lieber gar nicht erst auszutesten. Dass die SPD in den Umfragen nicht über 25 Prozent hinauskommt, liegt auch an dieser inneren Zerrissenheit, dem diffusen Gefühl, nicht zu wissen, was man bei ihr mit seiner Stimme am Ende bekommt: Eine im Kern vernünftige Politik, wie Gabriel oder Sozialministerin Andrea Nahles sie betreiben, die Integrationsverweigerern die Leistungen kürzen will – oder einen linken Dreier mit den Grünen und der Altkommunistin Sahra Wagenknecht? Als Kanzler einer solchen Koalition wäre Gabriel so fehl am Platz wie ein Metzger auf dem Vegetarierkongress.

    In der Flüchtlingskrise steht er im Moment ziemlich genau in der Mitte zwischen Merkel und Seehofer. Je tiefer die SPD bei den Wahlen im März abstürzt, umso mehr könnte Gabriel allerdings versucht sein, sich etwas weiter in Richtung des Bayern zu bewegen, restriktiver zu werden in seinen Forderungen und aggressiver gegenüber der Kanzlerin. Nicht nur die Union, auch die SPD verliert Wähler an die Alternative für Deutschland, ohne schon ein Rezept dagegen zu haben. Bisher ist Gabriel dazu verdammt, sich durchzulavieren, er kann Angela

    Die Genossen müssen sich entscheiden

    Spätestens nach den Wahlen im März müssen die Genossen sich entscheiden: Folgen sie Gabriel in der Flüchtlingspolitik auf einem Kurs, der erkennbar konservativer ist als ihre bisherige Politik – oder machen sie eben jenen Kurs für ein mögliches Wahl-Desaster verantwortlich? Es wäre, mit Verlaub, ein Treppenwitz der Parteigeschichte: Ausgerechnet in dem Moment, in dem die Kanzlerin plötzlich angreifbar erscheint, demontiert die SPD ihren eigenen Vorsitzenden.

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