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Kommentar: Weniger ist mehr: Bei der Regierungsbildung dürfen nicht zu viele mitverhandeln

Kommentar

Weniger ist mehr: Bei der Regierungsbildung dürfen nicht zu viele mitverhandeln

Stefan Lange
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    Weniger ist mehr: Bei der Regierungsbildung dürfen nicht zu viele mitverhandeln
    Weniger ist mehr: Bei der Regierungsbildung dürfen nicht zu viele mitverhandeln Foto: dpa

    Als die Parteien nach der Bundestagswahl 2017 mit den Sondierungsgesprächen begannen, war das einer Livesendung nicht unähnlich. Die Handys saßen locker, ständig wurden SMS und Twitter-Nachrichten mit Verhandlungsdetails getippt und durchgestochen. Das Problem: Die Kurznachrichten wurden von anderen Verhandlungsteilnehmern gelesen und die schickten sofort Reaktionen – ein Teufelskreis, dem sich niemand entziehen wollte.

    Hätte es vor vier Jahren die sogenannten sozialen Netzwerke nicht gegeben, die Regierungsbildung hätte nicht fast ein halbes Jahr gedauert. Diesmal muss es zügiger gehen, schließlich stehen in Deutschland Probleme an, die eine stabile Regierung erfordern.

    Annalena Baerbock und Robert Habeck kommen zum Kleinen Parteitag, um sich von den Mitgliedern den Sondierungsauftrag bestätigen zu lassen.
    Annalena Baerbock und Robert Habeck kommen zum Kleinen Parteitag, um sich von den Mitgliedern den Sondierungsauftrag bestätigen zu lassen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Klar, die Regierung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bleibt im Amt, bis das neue Kabinett vereidigt ist. Sie kann aus Rücksicht auf die neue Regierung aber nur noch verwalten, nicht mehr gestalten. Herausforderungen wie Corona-Pandemie, Inflation, explodierende Energiekosten und die angespannte Finanzlage müssen jedoch schnell angegangen werden. Die 171 Tage, die die letzte Regierungsbildung dauerte, dürfen jedenfalls nicht wieder ins Land ziehen.

    Sondierungen nach der Bundestagswahl: Noch dringt nicht hinaus

    Bei den gerade laufenden Sondierungsgesprächen halten sich die Verhandlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer bisher tatsächlich an die verordnete Schweigepflicht. Über Plattitüden hinaus dringt nichts an die Öffentlichkeit. Skepsis ist jedoch angebracht, denn vor allem bei der CDU ist die Zahl der Beteiligten schon bei den Sondierungen unnötig groß. Zehn Personen umfasst die Delegation. Darunter einige Landespolitiker, von denen man sich wirklich fragt, was sie aktuell zu den Gesprächen beitragen wollen.

    Und je länger es dauert, desto schlimmer wird es. Bei den Verhandlungen hat sich die Beteiligtenzahl zwischen 2002 und 2017/18 mehr als versechsfacht, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in einer Studie nachweist. Vor allem wurden immer mehr Arbeitsgruppen gebildet. Dabei stieg die Zahl derer, die ein Regierungsamt auf Landesebene innehaben, der Parteiführung auf Bundesebene angehören oder Mitglied in einer Arbeitsgruppe sind. Die Kommunalpolitische Vereinigung der Union (KPV) beispielsweise forderte am Wochenende mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen, dass "mindestens ein Kommunaler in jedem Verhandlungsteam und jeder Arbeitsgruppe vertreten sein“ müsse. Der Anteil der Bundestagsmitglieder hingegen sank im genannten Zeitraum von 86 auf 52 Prozent.

    Irre: 350 Beteiligte bei den Koalitions-Verhandlungen 2017

    Medienleute erinnern sich noch mit Grausen an die Situation vor vier Jahren, als immer neue Gesichter vor den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft im Bundestag auftauchten, wo der Löwenanteil der Verhandlungen geführt wurde. Am Ende waren sage und schreibe 350 Menschen an den Verhandlungen beteiligt. Ihr Geltungsdrang war vielfach deutlich größer als der Wunsch, im Sinne von politischer Glaubwürdigkeit schnell zu einem Abschluss zu kommen.

    Heiter ging es während der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition 2017 lange Zeit zu - ehe sie dann doch platzten. Von links: FDP-Chef Christian Lindner, die Grünen Michael Kellner und Katrin Göring-Eckardt sowie FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Alle vier sind auch diesmal mit von der Partie. Ausgang ungewiss.
    Heiter ging es während der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition 2017 lange Zeit zu - ehe sie dann doch platzten. Von links: FDP-Chef Christian Lindner, die Grünen Michael Kellner und Katrin Göring-Eckardt sowie FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Alle vier sind auch diesmal mit von der Partie. Ausgang ungewiss. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Bescheidenheit ist also das wichtigste Gebot bei dieser Regierungsbildung. Weniger Beteiligte bedeuten weniger Kosten und vor allem einen deutlichen Tempogewinn. Und wenn sie dann, hoffentlich schnell, mit ihren Verhandlungen fertig sind, ist weiterhin Zurückhaltung gefragt.

    Der Umfang der Koalitionsverträge nämlich wuchs laut KAS-Studie seit den 80er Jahren um das Fünfzigfache an! Der noch gültige Koalitionsvertrag von Union und SPD beispielsweise hat stolze 175 Seiten. Vieles dort kommt doppelt vor, ist unnötig in die Länge gezogen und kompliziert. Die Verträge nahmen den Duktus der Verhandlungen mit: Es ist schon alles gesagt, bloß nicht von jedem. Wäre schön und nervenschonender, wenn das diesmal anders ist.

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