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Kommentar: Weber sollte EU-Kommissionschef werden – aber bitte richtig!

Kommentar

Weber sollte EU-Kommissionschef werden – aber bitte richtig!

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    Weber sollte EU-Kommissionschef werden – aber bitte richtig!
    Weber sollte EU-Kommissionschef werden – aber bitte richtig! Foto: Michael Kappeler

    Diese Europawahl hat viele Verlierer, allen voran die sogenannten „Volksparteien“. Ihnen kommt mehr und mehr das Volk abhanden. Sie hat aber, fast schon paradox, auch einen klaren Gewinner. Damit sind nicht die Grünen gemeint, für die das Klima derzeit im wahrsten Sinne des Wortes günstig steht. Nein, klarer Gewinner ist: Europa.

    Das spiegelt sich in der Wahlbeteiligung wider, die regelrecht hochgeschossen ist auf über 60 Prozent. Damit waren die Aussagen in Umfragen, diese Wahl sei etwas Besonderes, offenbar nicht nur Lippenbekenntnisse. Wie wichtig Europa – und das Europaparlament – in diesen politischen Zeiten sind, hat sich herumgesprochen.

    Weber will Europa „den Bürgern zurückzugeben“

    Das bedeutet einen gewissen Rückenwind für jenen „Spitzenkandidaten“, der am meisten davon sprach, Europa „den Bürgern zurückzugeben“: den Niederbayern Manfred Weber. Seine Partei wird aller Voraussicht nach im Europaparlament stärkste Fraktion werden – jener Kammer also, die den klaren Anspruch formuliert, nur einer der Spitzenkandidaten dürfe an die Spitze der EU-Kommission rücken. Dass er dies sein soll, betonte am Wahlabend nicht bloß Weber selbst, sondern ebenfalls die CDU-Vorsitzende.

    Es äußerte sich allerdings nicht Kanzlerin Angela Merkel, die auch den Wahlkampf weitgehend aussaß. Sie wird ab Dienstag mit den anderen Staats- und Regierungschefs in Brüssel ausknobeln, wer an die Kommissionsspitze rücken soll – dann wird das Geschachere um eine ganze Reihe von Posten, vom Chef der Europäischen Zentralbank bis zur Außenbeauftragten, erst richtig losgehen. Dass Merkel keinen sonderlichen Respekt für das „Spitzenkandidaten“-Prinzip spürt, ist historisch verbürgt, schon vor fünf Jahren haderte sie damit.

    Sie sieht das Vorrecht, über die EU-Kommissionsspitze zu entscheiden, bei sich und ihren Amtskollegen. Es ist aber richtig und wichtig, dieses Prinzip nicht leichtfertig zu opfern. Das demokratisch bestellte Europaparlament muss sicherstellen, dass der wichtigste Posten in Brüssel nicht im Hinterzimmer vergeben wird. Dafür hat vor Jahren der Sozialdemokrat Martin Schulz gekämpft und schließlich sogar seinem christdemokratischen Widersacher Jean-Claude Juncker an die Spitze verholfen. Dort gehört auch Weber hin, wenn er eine Koalition im Parlament zustande bekommt.

    Richtigen Rückenwind kann der CSU-Mann freilich aus dem Ergebnis in Deutschland nicht ableiten, daher wird schon das Ringen im Parlament schwer. Auch der Sozialdemokrat Timmermans versucht eine Koalition zu schmieden. Das maue Ergebnis zeigt aber zugleich, wie viel ein Kommissionschef Weber sich vornehmen muss – etwa jene Menschen anzusprechen, die beispielsweise das Thema Klimaschutz gar nicht mehr mit den Volksparteien verbinden.

    Zugleich geht es darum, Deutschland neu in der EU zu verankern. In den Krisenjahren waren die Deutschen als Zuchtmeister verschrien. Jetzt gelten sie als Blockierer, auch weil Merkel auf Macrons Reformideen kaum reagierte. Weber müsste die Blockade zwischen Integrationswütigen und Integrationsverweigerern auflösen. Sein milder Auftritt dürfte dabei helfen.

    Schließlich müsste Weber in seine CSU hineinwirken. Die hat erfreulicherweise einen ganz anderen Wahlkampf geführt als vor fünf Jahren. Das hat sich gelohnt, auch beim Wähler. Rückt Weber an die Spitze der Kommission, dürfte dieser Trend wohl halten. Das gerade wiederentdeckte – und goldrichtige – Strauß-Zitat, Bayern sei die Heimat, Europa aber die Zukunft, könnte dann auch über den Wahltag hinaus Bestand haben.

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