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Kommentar: Was tun, damit diese Gesellschaft zusammenhält?

Kommentar

Was tun, damit diese Gesellschaft zusammenhält?

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    Masseneinwanderung und Globalisierung haben die gesellschaftlichen Probleme verschärft.
    Masseneinwanderung und Globalisierung haben die gesellschaftlichen Probleme verschärft. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Jede Gesellschaft ist auf das soziale Miteinander angewiesen. Sie braucht Zusammenhalt und einen Vorrat an Gemeinsamkeiten, der jenseits unterschiedlichster Interessen die Bürger zusammenführt und ihnen das Gefühl vermittelt, dazuzugehören. Jede Gesellschaft benötigt, bei aller Pluralität der Meinungen und Lebensstile, Teamgeist und den Blick jedes einzelnen für das Wohl des Ganzen. Um all dies ist es in unserem Land nicht mehr gut genug bestellt.

    Es ist gut, dass sich die neue Bundesregierung um diesen Zusammenhalt mehr kümmern will. Denn unsere Gesellschaft driftet auseinander, zerfällt in einander befehdende Gruppen und Lager. Die wachsende Polarisierung geht einher mit dem Niedergang demokratischer Debattenkultur. In den fragmentierten Echokammern der sozialen Netzwerke, wo nur noch die eigene Meinung zählt, werden Andersdenkende ausgegrenzt und stigmatisiert. Deutschland sind „wir alle“, sagt die Kanzlerin. Aber gibt es dieses Deutschland eigentlich noch, in dem „wir alle“ leben und das uns allen „lieb und teuer“ ist? Das „Wir“-Gefühl jedenfalls hat stark nachgelassen, weil die Risse und Gräben in der Gesellschaft tiefer geworden sind und die Deutschen sich zunehmend sorgen um das, was man heutzutage kulturelle Identität nennt und früher als Zugehörigkeit zu einer Sprach-, Kultur- und Schicksalsgemeinschaft namens Nation verstanden wurde.

    Ängste vor sozialem Abstieg

    Der Großteil der polarisierenden Spannungen, unter denen das ökonomisch florierende Land leidet, ist nicht neu. Da ist die Kluft zwischen prosperierenden und hinterherhinkenden Regionen, deren Menschen sich abgehängt fühlen. Da ist die Gerechtigkeitslücke, weil der Wohlstand sehr ungleich verteilt ist, Reiche und Großkonzerne zu gierig sind. Da ist die Armut von Millionen, die nur das Nötigste zum Leben haben. Der Staat muss und kann mehr tun, um diese Ungleichheiten wenigstens ein Stück weit einzuebnen und – das Wichtigste überhaupt – Aufstiegschancen durch Bildung zu verbessern. Mit neuen Milliardenausgaben allein und noch mehr Fürsorge jedoch lässt sich kein festerer Zusammenhalt herbeizaubern. Das eigentliche Problem ist ja, dass sich die spalterischen Tendenzen verschärft haben – unter dem Druck zweier Entwicklungen, die über eine verunsicherte Gesellschaft hereinbrechen. Erstens die Globalisierung, die Berufs- und Lebenswelt umkrempelt und die Souveränität überschaubarer Einheiten wegfegt. Zweitens die Masseneinwanderung, die Gesicht und Statik der Gesellschaft rasant verändert und das Land auf nie dagewesene Weise entzweit hat. Beides löst Ängste vor sozialem Abstieg und vor einem Verlust jenes Deutschland aus, das uns „lieb und teuer“ ist. Wenn es nicht gelingt, diese Prozesse besser und verträglicher zu steuern sowie Brücken zu bauen im Streit um die Einwanderung, dann ist es um den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft bald vollends geschehen.

    Und noch eins ist zwingend nötig, um diese vielfältiger, auch kälter werdende Gesellschaft als Gemeinschaft zu erhalten. Wir brauchen eine Idee davon, was dieses Land über Sprache und Verfassung hinaus im Innersten zusammenhält, von anderen unterscheidet und verteidigt werden muss. Dazu gehören auch der Respekt vor anderen, vor Traditionen und staatlichen Institutionen. Dazu gehören Anstand, zivilisierte Umgangsformen und die Übernahme von Verantwortung. Dazu gehört die Förderung von Ehrenamt und Nachbarschaftshilfen. Dazu gehören ein handlungsfähiger Rechtsstaat, der die Regeln durchsetzt – und Eliten, die ihre Vorbildfunktion erfüllen, Vertrauen zurückgewinnen und das Gefühl vermitteln, den Herausforderungen gewachsen zu sein.

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