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Kommentar: Warum nun Merkels Schicksalstage in der Flüchtlingspolitik kommen

Kommentar

Warum nun Merkels Schicksalstage in der Flüchtlingspolitik kommen

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    Am Ende der Woche möchte die Kanzlerin bei einem EU-Gipfel Unterstützung für ihren Flüchtlingskurs erreichen.
    Am Ende der Woche möchte die Kanzlerin bei einem EU-Gipfel Unterstützung für ihren Flüchtlingskurs erreichen. Foto: Michael Kappeler (dpa)

    Um Angela Merkel ist es einsam geworden. Im In- und Ausland wächst die Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik, die zu einem unkontrollierten Zustrom hunderttausender Flüchtlinge über das Mittelmeer und die Balkanländer in die Europäische Union geführt hat. Wenige Tage vor dem EU-Gipfel Ende der Woche bröckelt auch noch die Unterstützung von Deutschlands wichtigstem Verbündeten Frankreich.

    Zwar soll Präsident François Hollande seinen Premier Manuel Valls intern für die Aussage zurückgepfiffen haben, Frankreich wolle keine zusätzlichen Flüchtlingskontingente aufnehmen. Doch der Wirbel zeigt: Für Merkel könnte der Zeitpunkt in Europa kaum ungünstiger sein, um Unterstützung für ihren Kurs zu bekommen.

    Osteuropa steht geschlossen gegen Merkels Kurs

    Das „neue Europa“, wie der frühere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld einst spalterisch die EU-Osterweiterungsländer nannte, steht geschlossen gegen die humanitäre Politik, Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien in Europa langfristig Schutz zu bieten. Und das alte Europa ist politisch gelähmt: In Frankreich herrscht Angst, dass Rechtsextremisten zur stärksten politischen Kraft anwachsen. In Großbritannien steht die komplette EU-Mitgliedschaft auf der Kippe. In vielen anderen EU-Ländern gewinnen Rechtspopulisten an Zustimmung. Ihr Siegeszug begann übrigens lange vor der Flüchtlingskrise und wurde meist durch wirtschaftliche Probleme genährt.

    Merkel ist die Situation vertraut. Schon in der Euro- und Schuldenkrise stand es anfangs einsam um sie. Mit viel Geduld und Ausdauer versuchte sie, gegen enorme Widerstände im In- und Ausland ihren Kurs durchzusetzen. Statt schneller riskanter Lösungen, etwa dem Rauswurf einzelner Länder aus der Eurowährung, versuchte sie, das Problem an der Wurzel anzugehen. Das hieß, europaweit eine strengere Spar- und Haushaltspolitik durchzusetzen. Am Ende folgte die Mehrheit der Kanzlerin.

    Im Krieg in Syrien wird es kein schnelles Ende geben

    Ähnlich versucht Merkel es in der Flüchtlingskrise. Es ist naiv, zu glauben, dass eine Lösung am direkten Krisenherd gelingt. Im Krieg in Syrien mit seinen hunderttausenden Toten und Millionen Flüchtlingen wird es kein schnelles Ende geben. So muss es darum gehen, wenigstens die Flüchtlingsströme unter Kontrolle zu bekommen und auf ein für Deutschland verkraftbares Maß abzubremsen.

    Da Merkel wie viele andere Grenzschließungen in Deutschland oder Mazedonien in jeder Hinsicht für hochgefährlich hält, versucht sie, das Problem am Ursprung der Balkanfluchtroute anzugehen. Tatsächlich liegt der Schlüssel in der Zusammenarbeit mit der Türkei. Die Regierung in Ankara betreibt eine humanere Flüchtlingspolitik als die meisten EU-Länder. Kein Land hat mehr Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen.

    Nur wenn Griechenland und die Türkei zusammenarbeiten, kann die gefährliche Fluchtroute über die Ägäis gestoppt werden. Der Anfang ist auf Vermittlung Deutschlands gemacht: Die Türkei ist bereit, Flüchtlinge aus

    Merkel braucht eine "Koalition der Willigen"

    Doch dafür braucht Merkel Partner in Europa. Auf dem EU-Gipfel muss es ihr gelingen, wenigstens eine kleine „Koalition der Willigen“ aus Ländern des alten Europas zu schmieden, die Deutschland mit der Aufnahme von Flüchtlingskontingenten aus der Türkei unterstützen. Sonst ist Merkels Versuch für eine Lösung der Vernunft gescheitert. Deutschland allein kann die Flüchtlingskrise nicht lösen.

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