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Kommentar: Warum jetzt die Maut für alle droht

Kommentar

Warum jetzt die Maut für alle droht

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    Wer auf Fernstraßen unterwegs ist, muss mit Gebühren für eine Mautvignette rechnen.
    Wer auf Fernstraßen unterwegs ist, muss mit Gebühren für eine Mautvignette rechnen. Foto: Jens Büttner (Archivbild) (dpa)

    Der Irrsinn hat Methode. Denn er ist strukturbedingt. Die Schiersteiner Brücke, eine 1282 Meter lange Autobahnbrücke zwischen den beiden Landeshauptstädten Mainz und Wiesbaden, liegt teilweise auf rheinland-pfälzischem, teilweise auf hessischem Gebiet. Schon vor zehn Jahren kamen Gutachter zu dem Ergebnis, dass die Brücke durch einen Neubau ersetzt werden muss. Doch geschehen ist nichts. Unter anderem deshalb, weil Hessen, das formal für die gesamte Brücke zuständig ist, einen sechsspurigen Ausbau plante, Rheinland-Pfalz dagegen nur vier Spuren wollte.

    Die Schiersteiner Brücke ist ein besonders krasser Fall – und doch symptomatisch für den Zustand in diesem Land. Deutschland lebt von der Substanz, die Infrastruktur ist marode, Straßen müssen saniert, Brücken erneuert und Bahntrassen ausgebaut werden, doch als Folge der Schuldenbremse hat der Bund in der Vergangenheit seine Investitionen in den Neu- oder Ausbau des Verkehrsnetzes deutlich zurückgefahren.

    Zum Sparkurs der Regierung gesellte sich ein bürokratisches Problem: Zwar stellt der Bund für das Fernstraßennetz die Mittel zur Verfügung, doch für die Planung, den Bau und den Unterhalt sind die Länder zuständig. Und auch diese bauten wegen den Vorgaben der Schuldenbremse ihr Personal und somit die Kapazitäten drastisch ab. Das rächt sich nun. Zwar profitiert Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) von den sprudelnden Steuereinnahmen und kann wieder deutlich mehr Geld ausgeben, doch in den Ländern mangelt es an baureifen Projekten.

    Kritiker warnen vor Privatisierung des Straßenbaus

    Nun allerdings ist ein Ende dieses Problems in Sicht. Um ihre Forderung nach deutlich mehr Geld vom Bund bei der Neuorganisation der Bund-Länder-Finanzbeziehungen durchsetzen zu können, gaben die Länder ihren Widerstand gegen die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes auf, gegen die sie sich bislang mit Händen und Füßen wehrten. Auch wenn die Details wie die Übernahme der bisherigen Beschäftigten noch ausgehandelt werden müssen und eine Grundgesetzänderung nötig ist, steht damit fest: Der Bund übernimmt sämtliche Kompetenzen, bündelt die Strukturen und beseitigt somit unnötige Reibungsverluste.

    Ein weiterer Vorteil: Die Infrastrukturgesellschaft wird so organisiert, dass sie nach privatwirtschaftlichen Kriterien arbeitet, also auch Kredite aufnehmen kann, ohne dass dies die Schuldenbremse des Bundeshaushalts tangiert. Zudem kann sie private Investoren an Bord holen. Kritiker warnen zwar vor einer Privatisierung des Straßenbaus, doch angesichts der enormen Summen, um die es geht, sind privatwirtschaftliche Lösungen unumgänglich.

    Das aber wird für die Autofahrer nicht ohne Folgen bleiben. Die Infrastrukturgesellschaft braucht Geld, viel Geld. Und das kann sie, wie es in Österreich längst der Fall ist, nur über die Maut erhalten. Die von der CSU durchgesetzte Maut ausschließlich für Ausländer hat in der EU keinen Bestand, europarechtskonform ist dagegen, dass alle Nutzer der Autobahnen zur Kasse gebeten werden. Nur so kann die Infrastrukturgesellschaft zu Kapital kommen. Und die Investoren zu ihrer Rendite.

    Deutschland steht damit vor einem Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik. Der Bund übernimmt nicht nur die Kompetenzen, sondern auch die Verantwortung für die Fernstraßen. Nun muss er auch beweisen, dass er es auch besser kann. Teuer wird die Auflösung des jahrelangen Investitionsstaus in jedem Fall. Kein Wunder, dass die Ministerpräsidenten damit nichts mehr zu tun haben wollen.

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