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Kommentar: Warum die Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufe richtig ist

Kommentar

Warum die Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufe richtig ist

Michael Stifter
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    Die Ampel-Koalitionäre geben der Debatte um eine Impfpflicht für bestimmte Berufe neuen Schwung.
    Die Ampel-Koalitionäre geben der Debatte um eine Impfpflicht für bestimmte Berufe neuen Schwung. Foto: Lino Mirgeler, dpa (Symbolbild)

    Jetzt reden wir also doch über eine Corona-Impfpflicht – zumindest für bestimmte Berufe. Zurecht. Und zu spät. Unvorbereitet wie kaum ein anderes Land taumelt Deutschland durch die vierte Welle. Das liegt vor allem daran, dass die politisch Verantwortlichen dem erschöpften Volk weitere Zumutungen ersparen wollten – und damit selbst zur Zumutung wurden. Auch die Debatte um die Impfpflicht wurde zuletzt am eigentlichen Ziel vorbeigeführt.

    Es ist schon richtig, dass es akut wenig bringt, wenn sich Krankenpfleger oder Erzieherinnen impfen lassen müssen, weil sie erst in zwei Monaten voll immunisiert sind. Aber genau an dieser dünnen Argumentation lässt sich das größte Problem der deutschen Pandemie-Politik ablesen: Gehetzt von steigenden Infektionszahlen schauen wir in jeder neuen Notsituation nur darauf, ob eine Maßnahme schnelle Wirkung erzielt.

    Hätten wir in der dritten an die vierte Welle gedacht, wäre heute vieles einfacher

    Hätten wir stattdessen schon in der dritten an die vierte Welle gedacht, wäre die Lage heute halb so dramatisch. Besonders frustrierend ist das, weil die Lernkurve nicht ansatzweise so steil verläuft wie die der neuen Corona-Fälle. Zur Erinnerung: Vor ziemlich genau einem Jahr wollte man mit einem „Lockdown Light“ Weihnachten retten. Das Etikett stand für: weniger schmerzhaft. Der Inhalt war: weniger wirksam.

    Womöglich sind wir Deutschen auch Opfer unseren eigenen Erfolgs zu Beginn des Corona-Zeitalters geworden. Damals kamen wir gut durch die Krise, während andere nicht wussten, wohin mit all den Toten. Doch während all jene, die am Anfang durch die Hölle gingen, daraus harte und oft unpopuläre Konsequenzen gezogen haben, ist bei vielen Deutschen eine merkwürdige Gleichgültigkeit entstanden, die sich auch in der niedrigen Impfquote niederschlägt.

    Und so streiten wir immer noch darüber, ob man Ungeimpften härtere Einschränkungen zumuten darf als Geimpften, während Österreich den Laden dichtmacht. Oder eben darüber, ob man verlangen kann, dass Beschäftigte im Gesundheitssektor sich impfen lassen, während das in Frankreich oder Italien längst der Fall ist. Eine Kündigungswelle hat es dort übrigens nicht gegeben.

    Zu viele Politikerinnen und Politiker haben eher den nächsten Shitstorm oder die nächste Schlagzeile im Kopf als die nächste Corona-Welle. Also wurde lieber vom deutschen „Freedom Day“ schwadroniert, anstatt Maßnahmen zu treffen, die weitere Beschränkungen der Freiheit überflüssig machen.

    Spätestens im Sommer hätte man klare Regeln vorlegen müssen, die für Ungeimpfte gelten, sollten die Infektionszahlen noch einmal massiv steigen. Dann hätten zumindest jene, die noch einigermaßen geradeaus denken, gewusst, was auf sie zukommt – und sich womöglich doch zur Impfung entschieden. Stattdessen stehen sie jetzt in Schlangen vor den mühsam wieder hochzufahrenden Impfzentren.

    Die wirklich heiklen Fragen in der Corona-Politik wurden systematisch verdrängt

    Hätte man die Impfpflicht für bestimmte Berufe schon im Frühjahr beschlossen, bräuchte das Personal in den Heimen heute nur noch eine Auffrischung. Stattdessen wurden diese heiklen Fragen systematisch verdrängt – in der naiven Hoffnung, die nächste Welle würde doch ganz bestimmt die letzte sein.

    Selbstverständlich ist es das Recht eines jeden Menschen, über den eigenen Körper zu entscheiden. Aber eben nur dann, wenn er andere damit nicht einem Risiko aussetzt. Kranke und alte Menschen sind im Fall einer Infektion besonders gefährdet, kleine Kinder können sich bislang nicht mit einer Impfung schützen. Beide Gruppen sind also auf Rücksicht und Solidarität jener Menschen angewiesen, mit denen sie ihren Alltag in nächster Nähe verbringen – im Alten- oder Pflegeheim, im Kindergarten oder in der Krippe.

    Wer sich nicht impfen lässt, entscheidet auch über die Lage in den Intensivstationen

    Das Personal dort entscheidet mit einem Nein zur Impfung nicht nur für sich selbst. Sondern auch für alte und schwache Menschen, die womöglich sterben, wenn sie sich anstecken. Für Kinder, die nicht alle mit einem milden Verlauf davonkommen und zudem das Virus oft unbemerkt in ihre Familien hinaustragen. Und am Ende entscheiden sie eben auch darüber, ob die Krankenhäuser genug Kapazitäten haben, um allen Patienten in akuten Notlagen helfen zu können.

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