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Kommentar: Warum der Kampf um Platz drei die Bundestagswahl entscheidet

Kommentar

Warum der Kampf um Platz drei die Bundestagswahl entscheidet

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    Die kleinen Parteien streiten um Platz drei. Das Bild entstand beim "TV-Fünfkampf" der ARD.
    Die kleinen Parteien streiten um Platz drei. Das Bild entstand beim "TV-Fünfkampf" der ARD. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Steht das Endergebnis schon fest, bevor es überhaupt losgeht? Groß sind, so scheint’s, die Gemeinsamkeiten zwischen der Bundestagswahl und der Fußball-Bundesliga. Hier wie da ist die Konkurrenz zwar groß, doch der Dauersieger gilt als haushoher Favorit. Sein ärgster Rivale sucht seine Chancen, und doch muss er sich mit dem zweiten Platz begnügen. Dahinter allerdings ist das Gerangel groß, der Kampf um Platz drei verspricht Spannung pur.

    Der Vergleich drängt sich geradezu auf. So stabil sind die Umfragewerte, dass es vorne am 24. September wohl keine Überraschung geben wird. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kämpft wacker, doch ein Rezept, wie er die dreimalige Wahlsiegerin Angela Merkel vom ersten Platz verdrängen will, hat er bislang nicht gefunden.

    Dahinter allerdings ist nichts entschieden, im Gegenteil. Um den dritten Platz kämpfen vier nahezu gleich starke Parteien – Linke und Grüne, die bisherigen Oppositionsparteien im Bundestag, sowie FDP und AfD, die beide vor vier Jahren den Einzug ins Parlament äußerst knapp verfehlten. Dieser Vierkampf ist offen, wird mit zunehmender Härte und Lautstärke ausgetragen und verleiht dem Wahlkampf die Dramatik und die Spannung, die beim Rennen um den ersten Platz fehlt. Selbst die Umfragen geben keine verlässlichen Antworten darauf, wie es ausgehen könnte – mal liegen die vier Parteien praktisch gleichauf, mal die

    Das Abschneiden der Kleinen entscheidet über die Regierungskoalition

    Alle vier profitieren nicht nur vom Unbehagen der Bürger an der Großen Koalition und dem weitverbreiteten Wunsch, dass das Bündnis der beiden Volksparteien nicht fortgesetzt wird, sondern diese vier können sich auch mit einem klaren Profil klar voneinander absetzen. Die FDP ist stark, weil sie bürgerlich-konservative Wähler anzieht, die sich von Merkel abwenden, denen die AfD aber zu radikal ist. Umgekehrt wandern wohl enttäuschte Sozialdemokraten zur Linken ab. Und vor allem in den neuen Ländern scharen sich Protestwähler, die alle etablierten Parteien kategorisch ablehnen, hinter der AfD. Die Wähler sind so flexibel und unberechenbar wie nie, der Last-Minute-Swing könnte noch Überraschungen hervorbringen.

    Beim Kampf um den dritten Platz geht es nur vordergründig um die Zahl der Mandate und ums Prestige, wer der Größte unter den Kleinen ist und als möglicher Oppositionsführer das öffentlichkeitswirksame Recht hat, als Erster auf die Kanzlerin zu antworten und den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses zu stellen. Tatsächlich entscheidet sich an dieser Stelle die Frage, wie es nach der Wahl mit Deutschland weitergeht, wie die nächste Regierung aussieht und welchen Kurs sie einschlägt. Da Merkel wie Schulz alle Bündnisoptionen offenhalten, gibt am Ende ausschließlich das Abschneiden der Kleinen den Ausschlag, welche Koalition überhaupt möglich ist. Wobei sich Schwarz-Gelb fundamental von Schwarz-Grün unterscheiden würde, ein Bündnis Merkels mit Lindner würde eine andere Politik zur Folge haben als eine Koalition Merkels mit Özdemir.

    Strategische Wähler wissen nicht, was ihre Stimme am Ende bewirkt

    Das bringt vor allem die strategischen Wähler in die Bredouille. Sie wissen nämlich nicht, was ihre Stimme am Ende bewirkt. Zu den Paradoxien des Wahlrechts gehört auch, dass diese Wähler eventuell genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich wollen. Denn wer seine Stimme einer der vier Kleinen gibt, um die Große Koalition abzuwählen, könnte am Ende Union und SPD so schwächen, dass es für ein Zweierbündnis der Union mit der FDP oder den Grünen gar nicht mehr reicht. Dann kommt das, was man unter allen Umständen verhindern wollte – eine Neuauflage der Großen Koalition.

    Wir möchten wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Umfrageinstitut Civey zusammen. Was es mit den Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

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