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Kommentar: Warum der Begriff "Elite" als Schimpfwort nicht weiterführt

Kommentar

Warum der Begriff "Elite" als Schimpfwort nicht weiterführt

Stefan Stahl
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    Das Weltwirtschaftsforum in Davos gehört zu den am besten bewachten Treffen.
    Das Weltwirtschaftsforum in Davos gehört zu den am besten bewachten Treffen. Foto: Alessandro Della Valle, dpa

    Verschwörungstheorien sind das Kampfmittel der halbwissenden Übelmeinenden. Da wird zusammengereimt, was für eine Ideologie zusammenpasst.

    Düster muss die Botschaft sein und Angst erzeugen. Wenn sich wie jetzt Mächtige aus Politik und Wirtschaft in Davos treffen, steht wie jedes Jahr der Vorwurf im Raum, eine Elite heimatloser Manager und willfähriger Politiker würde Strategien zulasten der sogenannten einfachen Menschen entwerfen. Das dunkle Meinungsgebräu von links und immer mehr von rechts ist brandgefährlich, geht es doch nicht nur mit Kritik am Establishment einher (was ja legitim ist), sondern es gipfelt darin, Politiker Unternehmer und auch Journalisten mit Häme zu versehen.

    Gauland zündelt, indem er über Eliten frotzelt

    Marc Friedrich und Matthias Weik machen sich etwa in ihrem Bestseller „Der größte Crash aller Zeiten“ bei aller berechtigten Kritik am Euro-System über Politiker lustig: „Wir sind zu der traurigen Erkenntnis gelangt, dass offenkundig Komiker die Macht übernommen haben.“ Generell, meinen die Autoren, könne man bei der politischen Elite selbstsicheres Auftreten bei absoluter Ahnungslosigkeit beobachten. Respekt war gestern, heute wird eben gelästert und vor allem nicht differenziert. Schwarz oder weiß. Bloß nicht grau. Grau wirkt nur intellektuell – was aus Sicht der Populisten mindestens so problematisch ist wie Eliten.

    Einer der geistigen Väter des antiliberalen Denkens ist der Rechtsausleger Alexander Gauland. Sein Beitrag in der FAZ vom Oktober 2018 offenbart auf erschreckende Weise, wie das verunglimpfende Meinungsgut in die Mitte der Gesellschaft getragen wird. Der AfD-Ehrenvorsitzende geißelt eine „neue urbane Elite“, die sich dank einer schwachen Bindung an die Heimatländer in einer „abgehobenen Parallelgesellschaft“ als Weltbürger verstehe. Letzterer Begriff ist durchaus als Schimpfwort zu verstehen, obwohl kosmopolitisches Denken die logische Konsequenz aus dem wiederholten Scheitern des Nationalismus in der Geschichte ist. Gauland zündelt, indem er über Eliten frotzelt: „Der Regen, der in ihren Heimatländern fällt, macht sie nicht nass.“

    Wir brauchen mehr Aufsteiger wie Strauß und Schröder

    Derlei Polemik führt Menschen in die Irre und muss beherzter widerlegt werden. Der Soziologe Michael Hartmann kann das. Rund zwei Jahrzehnte hat er sich mit der angeblichen Existenz einer globalen Elite befasst: Demnach leben aber rund 90 Prozent der Top-Manager in ihrem Heimatland, unter den Milliardären sind es sogar mehr als 90 Prozent. Der Regen zu Hause macht sie also doch nass. Der Wissenschaftler findet keine Anhaltspunkte für eine globale Elite, die sich die Welt untertan macht. Im Übrigen haben nationale Politiker alles in der Hand, die Welt besser zu machen, also etwa das Klima zu retten. Daran werden sie nicht von Mega-Reichen gehindert. Sie müssen sich nur wie Greta trauen und Farbe bekennen. Gauland und Co. verschweigen all das bewusst. Sie wollen nicht ihr Verschwörungs-Geschäftsmodell riskieren.

    Dabei kritisiert Soziologe Hartmann zu Recht, dass sich die Eliten von der Bevölkerung entfernen. Im Vergleich zu früher kämen zu wenige politische Spitzenkräfte aus der breiten Bevölkerung. Auch in Davos wird bemängelt, dass die deutsche Gesellschaft zu undurchlässig ist. Dabei sind Aufsteiger wie der Metzgersohn Franz Josef Strauß oder der aus einfachsten Verhältnissen stammende Gerhard Schröder Prachtexemplare eines bodenständigen Elite-Typus. Solche Charaktere sind Populisten-Schrecks und inzwischen leider Mangelware.

    Auch deshalb finden die Gaulands der Republik so viel Gehör. Unsere Gesellschaft muss durchlässiger werden, um am Ende bessere Eliten als heute zu bekommen.

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