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Kommentar: Warum das chinesische System an seine Grenzen stößt

Kommentar

Warum das chinesische System an seine Grenzen stößt

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    Die Große Halle des Volkes in Peking erinnert an die Zeiten der Herrschaft von Mao Tsetung.
    Die Große Halle des Volkes in Peking erinnert an die Zeiten der Herrschaft von Mao Tsetung. Foto: Ng Han Guan, dpa

    In der Großen Halle des Volkes sieht es so aus, als wäre die Zeit stehen geblieben. Hinter der Tribüne prangt haushoch das Staatswappen der Volksrepublik. Ein prächtiger roter Stern dient als Lichtquelle. Alles ist so choreografiert wie zu Zeiten Mao Tsetungs. Doch der ist seit 43 Jahren tot. Die Volksrepublik China gibt es länger mit Kapitalismus als ohne. Trotzdem wird an den kommunistischen Ritualen festgehalten, als würde es das moderne China mit den glitzernden Wolkenkratzern und der Luxus-Mall ein paar hundert Meter weiter nicht geben.

    Doch genau das ist es, was die kommunistische Führung ihren Bürgern vermitteln will, wenn sie am 1. Oktober den 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik begeht: Stabilität und der alleinige Machtanspruch. Die Botschaft: Ohne die Kommunistische Partei gäbe es kein neues China.

    Politisch starr, wirtschaftlich wandlungsfähig – das ist es, was China heute auszeichnet. Das war nicht immer so. Als 1949 Mao an die Macht kam, wollte er nichts Geringeres als den wahren Kommunismus auf Erden. Was die Chinesen danach erleben sollten, waren ideologisch aufgeladene Kampagnen der grausamsten Art.

    Die Bilanz seiner fast 30-jährigen Diktatur: mindestens 38 Millionen Tote und ein völlig traumatisiertes Volk. Erst Maos Nachfolger Deng Xiaoping öffnete das Land, ließ freie Märkte zu. „Ausprobieren“, lautete sein Motto. Was sich bewährte, sollte fortgesetzt werden. Ging etwas schief, wurde es verworfen. Mit ideologischen Scheuklappen räumte er auf. An der KP-Herrschaft hielt aber auch er fest.

    China hat sich zur größten Handelsmacht der Welt entwickelt

    Mit dieser Politik setzte Deng den größten Wohlstandsgewinn in Gang, den es in der Menschheitsgeschichte gegeben hat. Lebten zu Beginn seiner Reformpolitik 90 Prozent der Chinesen unter der Armutsgrenze, ist absolute Armut heute in der Volksrepublik passé. China entwickelte sich zur größten Handelsmacht und zur zweitstärksten Volkswirtschaft der Welt. Deng war der Architekt eines Systems, in dem freie Märkte erfolgreich in einem politisch unfreien Rahmen funktionieren. Gucci und Prada unter Hammer und Sichel.

    Diese Politik hat China weit gebracht. Das Problem dieser Politik aber ist ihre völlige Entideologisierung. Mit rund 90 Millionen Mitgliedern ist die Kommunistische Partei zwar so groß wie nie. Doch die meisten treten aus Karrieregründen bei. Was zählt, ist alleine das eigene Fortkommen.

    Bleibt der Nationalismus. Diese Karte zieht die Führung neuerdings häufiger. Wenn sie den Erwartungen nicht gerecht wird, setzt dieser Nationalismus sie allerdings auch unter Druck, etwa im Handelsstreit mit den USA. Um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden, ist Peking an einer Lösung mit Washington interessiert. Macht die Führung zu große Zugeständnisse, wird ihr das im eigenen Land als Schwäche ausgelegt.

    Chinas Mittelschicht will künftig mehr mitreden

    Doch auch gesellschaftlich wird es für die Führung schwieriger. Die wachsende Mittelschicht fordert eine nachhaltigere und sozialere Entwicklung. Forderungen nach mehr Demokratie werden derzeit zwar nur in Hongkong laut. Doch auch auf dem Festland sind immer mehr Menschen gut ausgebildet und wollen mitreden.

    Vor allem aber ökonomisch wird es für die KP-Führung schwer. In den Städten ist die Wirtschaft weitgehend gesättigt. Beim Wachstum zehrt Chinas Führung noch vom Nachholbedarf der Chinesen vom Land, wo der Staat jährlich zwischen 10 und 20 Millionen Menschen mit Wohnungen und Arbeitsplätzen versorgt. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts aber wird diese Entwicklung zu Ende gehen. Spätestens dann wird sich Chinas Führung wieder neu erfinden müssen.

    Die Partei hat 90 Millionen Mitglieder.

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