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Kommentar: Warum Gabriel in die Tengelmann-Falle getappt ist

Kommentar

Warum Gabriel in die Tengelmann-Falle getappt ist

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    Ist die Kritik an Sigmar Gabriel im Fall "Tengelmann" unangemessen?
    Ist die Kritik an Sigmar Gabriel im Fall "Tengelmann" unangemessen? Foto: Michael Kappeler/Archiv (dpa)

    Eine der interessanten Ergebnisse der Studie über die Ängste der Deutschen ist die Sorge vieler Bürger, dass Politiker angesichts zunehmender Herausforderungen überfordert sind. Solche Befürchtungen sind berechtigt, wie der enorm komplexe Fall „Tengelmann“ zeigt. Da will der Unternehmer Karl-Erivan Haub verzweifelt seine defizitäre Supermarktkette verkaufen, um den Verlustbringer loszuwerden.

    Dass der Firmeninhaber sein Sorgenkind nicht einfach abstoßen kann, liegt an der Marktkonzentration in der Branche. Vier Riesen, Edeka, gefolgt von Rewe, Lidl und Aldi, dominieren das Geschäft – eine für Landwirte fatale Entwicklung, wie das Trauerspiel um den viel zu niedrigen Milchpreis zeigt.

    Dabei ist der immer stärkere Konzentrationsprozess im Lebensmittelhandel auch für Verbraucher gefährlich, weil sie nur unter wenigen Anbietern wählen können. So hat das Bundeskartellamt mit guten Argumenten den Verkauf von Tengelmann an Edeka untersagt.

    Fall "Tengelmann": Wettbewerb muss in Marktwirtschaft sichergestellt sein

    In einer Marktwirtschaft muss Wettbewerb sichergestellt werden, sonst bilden sich zulasten der Kunden Oligopole heraus, in denen wenige Konzerne alles beherrschen. Damit ist der Tengelmann-Krimi aber noch nicht auserzählt, schließlich geht es um den Erhalt von möglichst vielen der gut 15000 Arbeitsplätze – ein Thema, das für die Gewerkschaft Verdi im Vordergrund steht. Und wenn eine Arbeitnehmer-Organisation für die Absicherung von Jobs kämpft, ist politische Unterstützung gefragt.

    Hier kam qua Amt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ins Spiel. Als Chef der Sozialdemokraten stand er unter Druck, wo doch Tengelmann-Kassiererinnen zur SPD-Kernklientel zählen. Der Politiker tat, was Sozialdemokraten und Gewerkschafter von ihm als selbstverständlich erachten: Er suchte intensiv nach einer Lösung für den Erhalt der Arbeitsplätze. Gabriel duckte sich nicht wie andere Politiker weg. Weil er handelte und Edeka eine Ministererlaubnis zur Übernahme der viel kleineren Supermarkt-Kette unter jobsichernden Auflagen zugestand, tappte der Minister in die Tengelmann-Falle. Ihm wird zum Verhängnis, dass er während des Entscheidungsprozesses nach Einschätzung eines Gerichtes zu engen Kontakt zu Edeka- und Tengelmann-Leuten pflegte. Solche Gespräche sind aber notwendig, um Arbeitsplatzgarantien zu erhalten.

    Sigmar Gabriel wollte Gutes tun

    Gabriel wollte Gutes tun und wird nun von Juristen geohrfeigt – eine tragische Entwicklung. Hätte er das Problem ausgesessen und die Ministererlaubnis verweigert, stünde er herzloser, jedoch besser da. Aber der wegen Misserfolgen in seiner Partei unter Druck stehende SPD-Mann konnte der Versuchung, als Retter zu glänzen, nicht widerstehen. Immer wieder verbrennen sich Politiker bei Wirtschaftsthemen die Finger. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder erging es im Fall des vor dem Aus stehenden Bau-Konzerns Holzmann nicht anders. Zunächst weinten Bau-Arbeiter vor Freude, als der SPD-Zampano ihnen voreilig versicherte: „Liebe Freunde, wir haben es geschafft.“ Die Insolvenz war aber nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Schröder konnte Holzmann nicht retten. Ähnlich wird es wohl Gabriel mit Tengelmann ergehen. Wenn nicht ein Wunder passiert, droht der Supermarkt-Kettte die Zerschlagung.

    Nach all den abschreckenden Beispielen werden wohl weniger Politiker den Mut fassen, sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen risikoreich ins Zeug zu legen. Es gibt gefahrlosere Aktionen für sie wie das Halten abstrakt-wirtschaftspolitischer Reden im Bundestag. Doch solch entrückte Softie-Politiker sind nicht nach dem Geschmack vieler sich im rauen Wirtschaftsleben alleingelassen fühlender Wähler.

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