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Kommentar: Wahl zum Bundespräsidenten: Wer, wenn nicht Joachim Gauck?

Kommentar

Wahl zum Bundespräsidenten: Wer, wenn nicht Joachim Gauck?

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    Bundespräsident Joachim Gauck.
    Bundespräsident Joachim Gauck. Foto: Fredrik von Erichsen/Archiv (dpa)

    Präsident zu bleiben, ist nicht schwer – es zu werden, umso mehr. Um Joachim Gauck als neues Staatsoberhaupt durchzusetzen, musste der damalige FDP-Chef Philipp Rösler im Februar 2012 hoch pokern und sogar einen Koalitionsbruch riskieren, so tief saß bei der Kanzlerin damals die Abneigung gegen den früheren Bürgerrechtler. Mittlerweile aber ist auch Angela Merkel auf den Zug derer aufgesprungen, die den 76-Jährigen ermuntern, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren.

    Selbst wenn sie es noch wollte, könnte sie gar nicht mehr anders: Gauck ist genau der Bundespräsident geworden, den die Deutschen sich nach den Rücktritten seiner glücklosen Vorgänger Horst Köhler und Christian Wulff gewünscht haben: verbindlich und verlässlich im Auftreten, unbestechlich und gelegentlich auch unbequem in seinem Urteil – und wortmächtig wie wenige Präsidenten vor ihm.

    Auf Sätze wie den, dass unser Herz zwar weit ist, unsere Möglichkeiten zugleich aber endlich sind, warten viele Menschen in der Flüchtlingskrise bei Angela Merkel vergebens. Gauck findet sie, er hat ein feines Gespür dafür, was die Politik den Leuten zumuten kann und was sie ihnen gelegentlich auch zumuten muss. Sein Plädoyer, Deutschland solle in internationalen Krisen mehr Verantwortung übernehmen, notfalls auch militärisch, klang vor zwei Jahren noch etwas oberlehrerhaft. Heute hat ihn die Wirklichkeit längst eingeholt. In Mali, im Syrien-Konflikt und demnächst womöglich auch in Libyen – überall neue Herausforderungen für die Bundeswehr. Oder, in Gaucks Worten: „Die Bundesrepublik muss bereit sein, mehr zu tun für jene Sicherheit, die ihr über Jahrzehnte von anderen gewährt wurde.“

    Ob er nach fünf Jahren Schluss macht oder im Februar 2017 noch einmal für das höchste Amt kandidiert, das die Republik zu vergeben hat, hat Gauck bislang offengelassen. In seinem Alter, darf man annehmen, werden auch gesundheitliche Erwägungen eine Rolle spielen – auf der anderen Seite aber ist sein schieres Alter alleine kein Grund, nicht noch einmal anzutreten. Gerade jetzt, da so vieles in Deutschland in Unordnung gerät, ist die Sehnsucht nach einer Autorität, einer Instanz wie Gauck, groß. Obwohl das Grundgesetz den Präsidenten mit wenig Macht ausgestattet hat, beschränkt er sich nicht auf das rein Repräsentative. Gauck mischt sich ein in die Politik, ohne es wirklich danach aussehen zu lassen. Auch das macht ihn so beliebt.

    In einer Zeit, in der die Bindungskräfte der Parteien schwinden und die Fliehkräfte in der Gesellschaft immer stärker werden, wirkt er vielleicht auch wegen seines honorigen Alters wie ein ruhender Pol, wie ein Anker in unruhiger See. Gauck ist klug und verantwortungsbewusst genug, das in seine Entscheidung mit einzubeziehen: Soll er der Politik mitten in der Flüchtlingskrise das tatsächlich zumuten, einen erbitterten Kampf um das höchste Amt im Staat?

    Die Kanzlerin unter Druck, die Koalition heillos zerstritten, die Opposition schwach wie nie: In dieser Situation einen Nachfolger für Gauck zu finden, ist der Versuch, auf einer Glatze Locken zu drehen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat sicher das Format, aber keine Mehrheit in der Bundesversammlung, aus der Union drängt sich ohnehin niemand auf und ob die Zeit schon reif ist für eine grüne Bundespräsidentin Katrin Göring-Eckardt, womöglich als Vorbotin einer schwarz-grünen Koalition im Bund – das fragen sich nicht nur stramme Konservative. So gibt es, Stand heute, nur einen Ausweg aus dem Präsidentendilemma: eine zweite Amtszeit für Gauck.

    Wenn er dabei, um sich zu schonen, etwas kürzertritt als bisher, wird ihm das niemand übelnehmen.

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