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Kommentar: Währungskrise in der Türkei: Erdogan hat sich verrechnet

Kommentar

Währungskrise in der Türkei: Erdogan hat sich verrechnet

Rudi Wais
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    Die Türkische Lira hatte nach der Verhängung von US-Sanktionen gegen zwei türkische Minister stark an Wert verloren. Erdogan spricht von einem «Wirtschaftskrieg».
    Die Türkische Lira hatte nach der Verhängung von US-Sanktionen gegen zwei türkische Minister stark an Wert verloren. Erdogan spricht von einem «Wirtschaftskrieg». Foto: Burhan Ozbilici/AP (dpa)

    Beim Geld hört auch am Bosporus die Freundschaft auf. So weit reicht ihre Verehrung für Recep Tayyip Erdogan nicht, dass die Türken seinem Appell folgen und ihr in Euro und Dollar angelegtes Erspartes in Lira wechseln, um den freien Fall der Landeswährung zu stoppen. Ganz im Gegenteil: In den ersten Banken gehen die Dollarvorräte zur Neige, weil immer mehr Türken für ihre Notgroschen einen sicheren Hafen suchen. Fast zwangsläufig wird der Absturz der Lira damit auch zum Menetekel für den Präsidenten.

    Erdogan verdankt seine Macht nicht zuletzt einem beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung, den das Land seit seinem ersten Wahlsieg im Jahr 2002 erlebt hat. Nun allerdings sieht es so aus, als könnte er zum Opfer seines eigenen Größenwahns, seiner Allmachtsfantasien und seiner Selbstüberschätzung werden. Indem er der Notenbank ihre Unabhängigkeit raubte und sich Zinserhöhungen verbat, hat er die Türkei in eine schwere Krise gestürzt. Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium, die US-Präsident Donald Trump als Reaktion auf die Inhaftierung eines amerikanischen Predigers in der

    Der Finanzminister ist Erdogans Schwiegersohn

    Die wüsten Attacken des Präsidenten in Richtung des Nato-Partners USA, seine Drohung, sich in China oder Russland neue Verbündete zu suchen, wären für sich genommen nichts Besonderes. Solche Ausfälle kennt man von Erdogan. In der gegenwärtigen Situation allerdings könnten sie für ihn zum Bumerang werden. Um die Lage zu stabilisieren, braucht er frisches Kapital – das aber gibt es nur gegen ein gewisses Maß an Sicherheit und Vertrauen. Beides hat Erdogan nicht mehr im Portfolio. Ja, schlimmer noch: Statt um Investoren zu werben, wirft er Amerikanern und Europäern vor, sie setzten den Dollar und den Euro wie Waffen gegen die Türkei ein. So überzeugt man die Märkte nicht, sondern macht sie nur noch misstrauischer. Auch die Entscheidung des Präsidenten, den angesehenen Finanzminister Mehmet Simsek durch seinen Schwiegersohn zu ersetzen, ist alles Mögliche, nur keine vertrauensbildende Maßnahme.

    Noch macht Erdogan niemand sein Amt streitig. Das aber kann sich schnell ändern, wenn die Währungskrise sich zu einer veritablen Wirtschaftskrise mit Pleitewellen, Massenentlassungen und einem weiteren Schwund der Lira auswächst. Für die Märkte jedenfalls ist weniger die türkische Wirtschaft das Problem als der türkische Präsident mit seinem etwas verqueren Verständnis von Ökonomie. Eine wirklich unabhängige Notenbank würde längst versuchen, die Inflation über höhere Zinsen zu zähmen, Erdogan dagegen setzt unverdrossen auf eine Politik des billigen Geldes und inszeniert sich als Opfer eines Wirtschaftskrieges, den der böse Westen angeblich gegen die Türkei führt – angeführt, selbstredend, von Donald Trump.

    Die Wahlen hat Erdogan nur noch knapp gewonnen

    Es ist paradox: Wenn Erdogan tatsächlich stürzen sollte, dann nicht über seinen autokratischen Furor, seinen skrupellosen Umgang mit der Opposition oder das willkürliche Inhaftieren von Journalisten, sondern über eine Krise, die sich mit einer Portion pragmatischer Vernunft leicht hätte vermeiden lassen. Die Wahlen im Juni hat der Präsident zwar noch knapp gewonnen, seine Macht aber beginnt unter den skeptischen Augen der Märkte und Donald Trumps Sanktionspolitik bereits zu erodieren. Am Freitag hat die türkische Wirtschaft durch den Kurssturz der Lira ein Fünftel ihres Wertes verloren. Das hält auf Dauer auch ein Egomane wie Erdogan nicht aus.

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