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Kommentar: Trumps Wahlkampf wird ein Kulturkampf

Kommentar

Trumps Wahlkampf wird ein Kulturkampf

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    Unter der Präsidentschaft von Donald Trump wurde die Schere zwischen der armen und der reichen Bevölkerung größer.
    Unter der Präsidentschaft von Donald Trump wurde die Schere zwischen der armen und der reichen Bevölkerung größer. Foto: Evan Vucci, AP/dpa

    Man darf eine eindrucksvolle Inszenierung erwarten, wenn Donald Trump an diesem Donnerstag mit einer großen Rede vor ein paar hundert geladenen Gästen und der nächtlichen Kulisse des Weißen Hauses den Parteitag der US-Republikaner beendet. Und es wird ein Tabubruch sein wie so viele bei dieser surrealen Veranstaltung: Nie in der jüngeren Geschichte hat ein Präsident seinen parteipolitischen Wahlkampf im offiziellen Amtssitz eröffnet.

    Doch nicht nur das Amt hat Trump gekapert, sondern auch seine Partei. Die 1854 im Kampf gegen die Sklaverei gegründeten Republikaner sind zu einer Sekte von Opportunisten verkommen, deren wichtigster gemeinsamer Nenner der Personenkult für den 74-Jährigen ist. „Ich bete jede Nacht: Gott, gib ihm vier weitere Jahre!“, bekannte gleich zu Beginn des Parteitags ein früherer Football-Star. Es folgten zahllose Oden an Trump, der mal als „Visionär“, mal als „Hüter Amerikas“ und mal als „Leibwächter der westlichen Zivilisation“ gepriesen wurde. Sechs Familienmitglieder durften ihren Patriarchen beweihräuchern. Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un hätte seine Freude gehabt.

    Trump schürt Ängste und kreiert ein Bild von sich als Erlöser

    Wo gemeinsame Werte und ein Programm fehlen, müssen Gefühle bedient werden. Für Trumps weiße, evangelikale Kernwählerschaft auf dem Land sind das die Furcht vor Gottlosigkeit, dem Kommunismus, der Abtreibung, dem Fremden und der Einschränkung des Waffenrechts. Also wurden diese Ängste bei dem Parteitag mit apokalyptischen Schilderungen von Chaos, Anarchie und Freiheitsverlusten bis an die Schmerzgrenze geschürt. Je finsterer die imaginären Aussichten, je größer der Groll auf die angebliche linke Meinungsdiktatur, desto heller strahlte das Bild des vermeintlichen Erlösers.

    Dass Donald Trump bereits seit vier Jahren im Amt ist, vor allem die Reichen reicher gemacht hat und die patriotisch verklärte USA unter seiner Verantwortung weltweit führend alleine bei der Zahl der Corona-Opfer geworden ist, wurde bei dem Parteitag kollektiv ausgeblendet. Die Pandemie, die Wirtschaftskrise, der strukturelle Rassismus, die Polizeigewalt – das kam allenfalls am Rande zur Sprache. Stattdessen flüchten die Republikaner in eine alternative Realität, in der der Präsident die Corona-Krise glänzend gemeistert hat, die Rückkehr zur Normalität nur von den Demokraten verhindert wird und deren Präsidentschaftskandidat Joe Biden zu einem marxistischen Anarchisten mutiert, der angeblich mehr als 80 Prozent der Bürger ihres Geldes berauben und den Rest dem plündernden Mob überlassen will.

    Der amtierende US-Präsident kämpft um den Verbleib im Amt

    Das mag für Außenstehende bizarr klingen, entfaltet intern aber schon Wirkung. Plötzlich will nicht mehr Trump der Ukraine den Geldhahn zudrehen, sondern Biden. Nicht die Familie des amtierenden Präsidenten liefert täglich neue Beispiele für Nepotismus und Korruption, sondern die des Herausforderers. Amerika solle zu einem zivilisierten Dialog zurückkehren, fordert ernsthaft Melania Trump und verklärt die Diffamierungen ihres Mannes als Ausdruck von dessen authentischer Persönlichkeit.

    Spätestens nach diesem Parteitag ist klar: Trump wird den Wahlkampf nicht mit Argumenten, sondern als Kulturkampf führen. Es gehe um „Kirche, Arbeit und Schule oder Krawall, Plünderungen und Vandalismus“, hat sein Sohn zugespitzt. Das ist absurd, aber eingängig. Die Bilder von brennenden amerikanischen Städten, wo sich neben friedlichem Protest gegen Polizeigewalt auch zielloser Zerstörungswille entlädt, kommen dem Präsidenten in seinem zynischen Kalkül gelegen. Noch liegen die Demokraten in den Umfragen vorne. Aber Trump wird buchstäblich alles tun, um deren Sieg zu verhindern. Die eigentlichen Probleme blendet der Parteitag aus.

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