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Kommentar: Trumps Staatsstreich: Ein Tabu ist gebrochen

Kommentar

Trumps Staatsstreich: Ein Tabu ist gebrochen

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    In vier Jahren hat Präsident Donald Trump die einst so stolze Demokratie schwer beschädigt. Das wird lange nachwirken. 	
Folgen auf die irrwitzige Posse womöglich Krawalle?
    In vier Jahren hat Präsident Donald Trump die einst so stolze Demokratie schwer beschädigt. Das wird lange nachwirken. Folgen auf die irrwitzige Posse womöglich Krawalle? Foto: picture alliance, dpa, XinHua

    Mal spricht er wie ein gewissenloser Mafiaboss, mal wie ein wahnhaft Getriebener mit Realitätsverlust. "Es kann nicht sein, dass ich Georgia verloren habe", sagt Donald Trump und fordert seinen Gesprächspartner auf, ihn zum Wahlsieger zu erklären: "Alles, was ich will, sind 11.780 Stimmen". Die Aufzeichnung von Trumps Telefongespräch mit Brad Raffensperger, dem republikanischen Innenminister von

    Schockierend ist, wie Trump das Wertegerüst der USA zerstört hat

    Wirklich überraschen kann das niemand. Schockierend aber ist, wie stark dieser Mann in den vergangenen vier Jahren das Wertegerüst eines ganzen Landes beschädigt, Millionen Menschen aufgewiegelt und seine Partei zersetzt hat. Das Georgia-Tonband sei "schlimmer als Watergate", hat Carl Bernstein, einer der Enthüller des damaligen Skandals, gesagt. Das gilt vor allem in einer Hinsicht: Nach dem legendären Lauschangriff nötigten die Republikaner im Sommer 1974 ihren Präsidenten Richard Nixon zum Rücktritt. Vier Jahrzehnte später machen sich nun führende Vertreter der "Grand Old Party" wie der texanische Senator Ted Cruz aktiv zu Komplizen in einem Coup-Versuch.

    Nichts anderes steht dem Land nämlich bevor, wenn am Mittwoch der Kongress zusammenkommt, um in einer eigentlich rein zeremoniellen Sitzung die Wahlergebnisse der Bundesstaaten in Empfang zu nehmen. Im ganzen Land sind die Stimmen oft mehrmals  ausgezählt und beglaubigt worden. Signifikante Unstimmigkeiten hat es nicht gegeben. Mehr als 60 Gerichte haben sämtliche Klagen des Trump-Lagers zurückgewiesen. Es gibt keinen begründeten Zweifel: Joe Biden hat die Wahl gewonnen.

    Dennoch inszenieren 140 Abgeordnete und zwölf Senatoren nun einen Aufstand, wie es ihn seit dem amerikanischen Bürgerkrieg nicht mehr gegeben hat. Auf der Basis von widerlegten Gerüchten, manipulierten Videos und rechten Konspirationserzählungen wollen sie Einspruch gegen die Ergebnisse einlegen. Das Ziel ist immer das Gleiche: Ein Teil der legalen Stimmen soll willkürlich nicht gewertet werden, damit Trump eine zweite Amtszeit erhält.

    Am Ende wird der versuchte Staatsstreich scheitern

    Das klingt irrwitzig und ist es auch. Trotzdem haben sich bislang nur wenige republikanische Senatoren von dem Anschlag auf den Grundpfeiler der Demokratie distanziert. Im Gegenteil: Sie schmeicheln ihrem durchgeknallten König im Weißen Haus, um bloß nicht bei dessen Anhängern in Ungnade zu fallen. Mit seinem angstgetriebenen Populismus, seiner wütenden Rhetorik und seiner narzisstischen Illusionskunst hat es Trump nämlich geschafft, Millionen in seinen Bann zu ziehen. Seit Wochen hetzt er diese Menschen mit immer düsteren Verschwörungslegenden über angeblichen Wahlbetrug auf. Während drinnen am Mittwoch das Parlament berät, dürfte es draußen Krawalle oder Schlimmeres geben.

    Das alles wird zwar am Ergebnis nichts ändern: Am Ende wird der versuchte Staatsstreich scheitern. Aber nach dieser zynischen Schmierenkomödie ist in den USA nichts mehr, wie es war: Ein Tabu ist gebrochen. Die Republikaner sind endgültig zur Trump-Sekte verkommen. Joe Biden erbt die Präsidentschaft über ein heillos gespaltenes Land. Die Diktatoren in aller Welt aber können sich ins Fäustchen lachen: Die ritualisierten Aufrufe zu freien und fairen Wahlen kann sich die einstmals stolzeste Demokratie der Welt künftig sparen.

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