Theodore Roosevelt, US–Präsident ab 1901, prägte den Begriff der „bully pulpit“. Er meinte damit jene einzigartige Plattform, die das präsidiale Amt bietet, daheim und in der Welt. Roosevelt, der für Verbraucherrechte oder Nationalparks kämpfte und gegen Monopole, meinte das Wort „bully“ durchaus positiv: als charmante Chance, seine Anliegen voranzutreiben.
Der Begriff hat sich gehalten, auch Präsident Donald Trump nutzt die bully pulpit, aber in ganz anderer Weise: Trump ist nur noch ein bully. Natürlich ist dies keine „News“, die vergangenen Jahren waren eine Abfolge unerhörter Verfehlungen, die jede andere Präsidentschaft erschüttert hätten – aber unter Trump allmählich normal wurden. Dennoch markieren diese Tage eine Zäsur. Dass der Mann im Weißen Haus in aberwitziger Weise ungeeignet ist für das (höchste) Amt, tritt in den aktuellen Krisen so scharf zutage wie vielleicht noch nie.
Viele Schwarze fürchten die amerikanische Polizei
Natürlich hat Trump nicht Corona verursacht, natürlich hat nicht nur seine Regierung bei der Virus-Abwehr schwere Fehler begangen. Natürlich ist der Präsident nicht verantwortlich für den Tod eines Schwarzen durch Polizeigewalt, natürlich reichen die Probleme des US-Justizwesens weiter zurück. So viele Menschen wie nirgendwo auf dem Planeten sitzen dort hinter Gittern, und so ungerecht wie dort geht es selten zu. Viele Schwarze fürchten die amerikanische Polizei völlig zu Recht – und dass das System so ist wie es ist, hat durchaus mit der Ursünde der Sklaverei zu tun, der so lange geschürten Angst vor dem angeblich bösen und wütenden „schwarzen Mann“.
Barack Obama hat es ins Weiße Haus geschafft, aber nicht geschafft, diese Wunden zu heilen – er hat es auch nicht ernsthaft versucht, unter anderem weil ihm sonst vorgehalten worden wäre, bloß ein schwarzer Präsident zu sein. Es ist nicht weniger als ein ewiger Teufelskreis und die Wunden Amerikas, sie reichen tiefer. Hin zu einer Republikanischen Partei, die sich Trump unterworfen hat. Zu Demokraten, die sich selbst zerfleischen. Sie sind ablesbar in einem tief gespaltenen politischen System, und in Medien, die ihre jeweilige parteiische Sicht als wahr verkaufen.
Trump reißt die Wunden weiter auf
Und doch trägt Präsident Trump große Schuld, weil er diese Wunden nicht zu heilen sucht, sondern sie weiter aufreißt. Er tut dies aus Frust, da ihm der Wirtschaftsaufschwung weg bricht. Aber auch, weil er in seiner bizarren Karriere stets nur ein Mittel kannte: immer härter zurückzuschlagen.
Bringt es etwas, sich darüber aufzuregen? Man kann auf die Wahl im November hoffen. Aber es ist keineswegs klar, dass diese eine Wende bringen wird. Trump hat sich gebrüstet, er könne auf offener Straße jemanden erschießen, und es werde ihn keine Unterstützung kosten. 1968, als ähnlich schwere Unruhen Amerika erschütterten, stützte die „schweigende Mehrheit“ eher Richard Nixon, dessen Version von Recht und Ordnung sich ebenfalls aus Vorurteilen gegen Schwarze speiste.
Joe Biden ist ein schwacher Kandidat
Trumps Herausforderer Joe Biden ist ein schwacher Kandidat, der alt und müde wirkt: dies sind gerade Attribute, auf die sich Trump zum Johlen seiner Anhänger bestens einschießen kann.
Also blickt man verzweifelt auf ein einst so optimistisches Land, das sein Lachen verlernt zu haben scheint. Die Wahrheit lautet: ob wir bald wieder an den amerikanischen Traum glauben können, weiß niemand. Wie schnell sich die Vereinigten Staaten von Trump erholen werden? Unklar. Klar ist aber: Ausgerechnet dieser Mann, der die nationale Sicherheit sichern soll, ist gerade eine Gefahr für die Sicherheit – für die nationale in den USA, aber auch die der Welt.
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