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Kommentar: Streit um Hilfspaket: Jetzt muss die Kanzlerin Europa retten

Kommentar

Streit um Hilfspaket: Jetzt muss die Kanzlerin Europa retten

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    Bundeskanzlerin Angela Merkel muss Europas Staatschefs einen.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel muss Europas Staatschefs einen. Foto: Jean-Francois Badias, AP, dpa

    Für Angela Merkel geht es in dieser Woche um ihr politisches Vermächtnis. Wenn alles gut läuft bei den Verhandlungen über das milliardenschwere Corona-Aufbauprogramm der EU, kann sie sich selbst ein Denkmal als große Europäerin setzen. Ein Selbstläufer wird das allerdings nicht für die Kanzlerin. Die Widerstände sind groß und wenn sie sich als zu übermächtig erweisen, droht Merkel bei der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die ihre politische Laufbahn krönen soll, noch eine ganz, ganz bittere Enttäuschung.

    Chefs der 27 EU-Länder beraten ab Freitag über milliardenschweres Hilfspaket

    Ab Freitag beraten die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder darüber, wie sie die wirtschaftlichen Verheerungen der Pandemie abmildern und überwinden können. In allen Mitgliedstaaten hat das Virus zu massiven Einbrüchen und Arbeitslosigkeit geführt. Doch manche sind besonders hart betroffen. Frankreich, Italien und Spanien etwa haben gewaltige Zahlen an Erkrankten und Todesopfern zu beklagen.

    Harte Einschränkungen des öffentlichen Lebens führten zu unvorstellbar heftigen Belastungen fast aller Wirtschaftsbereiche, von der Industrie über Handel und Dienstleistungen bis zum Tourismus. In Volkswirtschaften, die sich noch längst nicht vollständig von den Folgen der Finanzkrise 2009 erholt hatten, wurden alle Fortschritte in wenigen Monaten zunichtegemacht. Und auch das gehört zur Wahrheit: Dort, wo schon zuvor schlecht gewirtschaftet wurde, hat Corona bestehende Probleme nur noch verschärft. Die Leidtragenden sind gerade die ärmeren Teile der Bevölkerung.

    Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark wollen Hilfsgelder als Kredite auszahlen

    Das Aufbaupaket, das Angela Merkel zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron entworfen hat, kann Europa nach dem Schock wieder auf Zukunftskurs bringen. Es enthält satte 750 Milliarden Euro, davon sind 500 Milliarden als Zuschüsse an Krisenstaaten vorgesehen. Genau dieser Punkt ist es, der die Runde der 27 entzweit. Denn das Geld müssten die Empfänger nicht zurückzahlen. Dafür aufkommen sollen alle Mitglieder gemeinsam über den EU-Haushalt. Das wäre der Einstieg in die Vergemeinschaftung von Schulden, kritisieren vor allem die – je nach Sichtweise – sparsamen oder geizigen Vier.

    Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark wollen erreichen, dass das Geld aus dem Hilfsfonds möglichst als Kredit ausgezahlt wird. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte ist der härteste Gegner des Merkel-Macron-Plans. Die Niederländer galten mal als die Muster-Europäer, aber dort hat sich das Klima gewandelt. Schon im Frühjahr stehen Wahlen an, Rechtspopulisten und Europa-Skeptiker sitzen Rutte im Nacken.

    EU-Aufbaubauprogramm: Merkel braucht unendlich viel Fingerspitzengefühl

    Doch es ist auch nicht so, dass es nichts gäbe, was Merkel anbieten könnte. Eine Beibehaltung der sogenannten Rabatte etwa. Die sorgen bisher dafür, dass sich die Einzahlungen für die Nettozahler wie die Niederlande, aber auch Deutschland, Schweden, Dänemark und Österreich verringern. Vor allem muss Merkel den Bürgern der erfolgreicheren EU-Länder glaubhaft machen, dass ihr Plan nicht vorsieht, dauerhaft für Misswirtschaft und Korruption in Krisenstaaten zu haften.

    Merkel, eine Meisterin der Kunst des Kompromisses, braucht jetzt unendlich viel Fingerspitzengefühl. Sie muss der Spar-Fraktion, zu der Deutschland ja selbst vor kurzem noch gehörte, verdeutlichen, wie sehr Europa gerade auf der Kippe steht. Lässt der reiche Norden den Süden in dieser schweren Stunde hängen, wird dies Wunden schlagen, die niemals heilen. Gerade in Italien kann jetzt nur eine starke Geste der europäischen Solidarität den populistischen Europa-Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen.

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