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Kommentar: Streik zur Unzeit: Bahn und Gewerkschaft müssen sich schnell einigen

Kommentar

Streik zur Unzeit: Bahn und Gewerkschaft müssen sich schnell einigen

Stefan Stahl
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    Ein leerer Bahnsteig während eines Streiks der Lokomotivführer.
    Ein leerer Bahnsteig während eines Streiks der Lokomotivführer. Foto: Oliver Mehlis, dpa (Archivbild)

    Claus Weselsky ist wahrscheinlich der letzte heimische Arbeiterführer klassischen Zuschnitts. Obwohl der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer der CDU angehört, agiert er, wenn es um die Interessen seiner Klientel geht, wie es einst ultra-linke Arbeitnehmervertreter getan haben: Weselsky fackelt nicht lange, spitzt Tarifkonflikte brachial zu, holt sich wie jetzt in einer Urabstimmung die Rückendeckung seiner Kolleginnen sowie Kollegen, um dann den Streik-Zug rollen zu lassen. Und das macht der Gewerkschafter auch im Bewusstsein, dass er die öffentliche Meinung gegen sich hat oder wie das inzwischen heißt, mit einem Shitstorm rechnen muss.

    Weselsky hat den Tunnelblick

    Denn Weselsky hat den Tunnelblick, was ihm schon das ein oder andere Mal in seiner Karriere als Arbeiterführer half. Wenn ihn viele ausbremsen wollen, läuft er zur Hochform auf und zeigt den Bahn-Bossen, wie mächtig eine Arbeitnehmer-Vereinigung sein kann. Doch der Machtmensch muss in diesem Sommer aufpassen, dass er nicht den Charme eines Robin Hood aus dem Reich der Gleise und Züge verliert. Am Ende könnte er nur noch als Bahn-Egoist wahrgenommen werden, der vielen Menschen ausgerechnet nach der quälend langen Corona-Zeit und in den Ferien den Sommer verdirbt. Weselsky hat schon oft mit dem Feuer gespielt, im August könnte er sich wirklich die Finger an dem Streik verbrennen.

    Claus Weselsky, Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL, ist mit dem Angebot der Bahn nicht zufrieden.
    Claus Weselsky, Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL, ist mit dem Angebot der Bahn nicht zufrieden. Foto: Annette Riedl, dpa

    Für den Streik ist zur Hälfte die Bahn selbst verantwortlich

    Umso unverständlicher ist es, dass die Bahn-Manager im Wissen um das streitlustige und radikale Naturell des Lokführer-Bosses, den Gewerkschafter unnötig mit unzureichenden Tarif-Angeboten provoziert haben. Für den Streik ist also zur Hälfte der Vorstand des Konzerns verantwortlich. Um die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste in Grenzen zu halten, müssen die Verantwortlichen des Unternehmens rasch nachlegen und sich bei den Beschäftigten für ihre guten Leistungen während der harten Corona-Zeit entsprechend finanziell bedanken, zumal sich in Deutschland mächtig die Inflation zurückgemeldet hat. Dann bleibt es vielleicht bei einigen Tagen Arbeitskampf.

    Weselsky selbst sollte, wenn ihm die Bahn entgegen fährt, rasch den Streik-Zug zum Stillstand bringen. Das ist keine Zeit für Muskelspiele, auch wenn der Gewerkschafter wieder einmal mit der Konkurrenz-Organisation EVG um Einfluss innerhalb des Konzerns buhlt. Den Konflikt darf er nicht auf dem Rücken der Fahrgäste austragen. Sonst geht Weselsky als der Sommer-Verderber in die deutsche Tarifgeschichte ein.

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