Er garniert seine Pläne mit ein paar sozialen Wohltaten: Der Mindestlohn wird eingeführt in Russland, auch die Rentner sollen künftig bessergestellt werden. Doch eigentlich sorgt Präsident Wladimir Putin vor allem für sein eigenes Alter vor: Wenn heute in Moskau über die größte Verfassungsänderung der Geschichte des Landes abgestimmt wird, geht es dabei vor allem um Macht. Um Macht für einen Mann, für den es längst zur Gewohnheit geworden ist, die Welt nach seinen eigenen Bedürfnissen zu formen.
Die Demokratie ist kaltgestellt
Mit offenen Karten spielt Putin nicht. Und doch zweifelt niemand daran, dass der 67-Jährige mehr will als das, was da auf dem Papier steht. Misstrauisch reagiert nicht nur die Opposition auf das, was in Russland "Verfassungsblitzkrieg" genannt wird. Kein Wunder: Auf den ersten Blick sind die Pläne des starken Mannes aus dem Kreml widersprüchlich. Parlament und oberste Gerichte werden gestärkt. Die Kompetenzen des Präsidenten sollen eingeschränkt werden. Doch wer glaubt, Putin wolle sich zurücknehmen, der könnte gewaltig irren.
Der Langzeitherrscher hat längst alles kaltgestellt, was auch nur im Ansatz nach Demokratie aussehen könnte: freie Presse, freie Meinung, freie Justiz. Noch bis zum Jahr 2024 dauert seine Amtszeit, danach kann er kein weiteres Mal antreten. Also schafft er sich eine Parallelstruktur. Der Staatsrat ist so ein Gremium, er soll laut Verfassung mehr Einfluss bekommen. Dort könnte Putin wirken – als eine Art Super-Chef, dem es egal sein kann, wer unter ihm Präsident und Ministerpräsident ist. Zu erwarten ist freilich eher, dass er sich die Bürokraten-Riege, die die politischen Geschäfte führt, sorgfältig auswählen wird.
Russland kämpft mit vielen Problemen
Die darf dann ein Land regieren, das seit Jahren mit massiven Problemen zu kämpfen hat. Die Wirtschaft stagniert, der Lebensstandard der meisten Menschen liegt weit hinter dem des Westens zurück. Der ewige Konflikt mit dem Nachbarn Ukraine, das angespannte Verhältnis zu Europa, eine schlechte medizinische Versorgung, hohe Arbeitslosigkeit – an Schwierigkeiten mangelt es nicht in Russland. Und wo die Sorgen der Menschen wachsen, da sinkt das Vertrauen in die Führung.
Der Preis für die Großmachtsfantasien ist hoch
Viel zu lange hat sich der Präsident in außenpolitische Abenteuer gestürzt und dabei die Sorgen der eigenen Bevölkerung aus dem Blick verloren. Längst ist er im Nahen Osten zu einem der bestimmenden Machtfaktoren geworden. Ohne seinen Willen geschieht in Syrien nichts mehr. Selbst US-Präsident Trump hat er in eine Nebenrolle gedrängt. Rücksichtslos setzt er mit Baschar al-Assad als Marionette seine Großmachtfantasien um und macht die Welt damit jeden Tag ein wenig unsicherer. Putin mag sein Land auf die Bühne der Weltpolitik zurückgeholt haben, doch der Applaus ist spärlich. Den staunenden Europäern demonstriert er, wie wenig ihm an Diplomatie und Wertegerüsten liegt.
Doch den Triumph gibt es nicht umsonst: Milliarden verschlingt der Einsatz an der Seite des Diktators. Hinzu kommt, dass die Entfremdung zwischen dem einstigen Hoffnungsträger und dem Westen inzwischen maximal ist. Das hilft zwar bei der Erzählung nationalistischer Ideologien, stört aber die dringend benötigten Investitionen westlicher Firmen nachhaltig. Wohlstand als Valium fürs Volk, dieses Mittels kann sich Wladimir Putin schon lange nicht mehr bedienen.
Die Welt soll auf sein Kommando hören
Es ist also ein riskantes Manöver, in das sich der russische Präsident wagt. Doch solange es keine wirkliche politische Alternative für die Russen gibt, wird Wladimir Putin das System weiter als Mittel zum Zweck nutzen können. Und der Zweck ist vor allem der: Die ganze Welt hört auf sein Kommando.