Hätten sie doch besser geschwiegen. Gleich mehrere Spitzenpolitiker forderten in den vergangenen Tagen die Ständige Impfkommission auf, endlich Corona-Impfungen für alle Jugendlichen zu empfehlen. Als könnte man sich wissenschaftliche Erkenntnisse einfach so zurechtbiegen, damit sie zu den politischen Zielen passen.
Klar, je mehr Menschen sich impfen lassen, desto flacher wird eine mögliche vierte Welle der Pandemie verlaufen. Doch viele Eltern zögern und das sollte man nicht einfach abtun. Schließlich gibt es noch wenig Wissen über mögliche Nebenwirkungen und die meisten Kinder stecken eine Infektion ja gut weg. Aber eben nicht alle.
Es gibt gute Argumente, auch Kinder gegen Corona zu impfen
Je mehr von ihnen sich anstecken, desto höher steigt auch die Zahl derer, die doch schwer krank werden. Es gibt also sehr gute Argumente, nicht nur Erwachsene vor dem Coronavirus zu schützen. Wer aber Eltern überzeugen will, ihre Kinder impfen zu lassen, wer Bedenken ausräumen will, darf nicht einmal den leisesten Anschein aufkommen lassen, dass Experten dazu gedrängt werden, eine Empfehlung auszusprechen. Denn was soll diese Empfehlung dann noch wert sein?
Markus Söder und Saskia Esken stelle eigene Seriosität infrage
Mit ihrem öffentlichen Drängeln stellen CSU-Chef Markus Söder und die SPD-Vorsitzende Saskia Esken nicht nur ihre eigene Seriosität infrage, sondern diskreditieren auch die Impfkommission, die nicht politischen Überlegungen, sondern fundierten Erkenntnissen zu folgen hat. Nicht zum ersten Mal in dieser Pandemie macht sich eine latente Geringschätzung wissenschaftlicher Arbeit breit. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger tönt nun, man dürfe sich „nicht von den Lauterbachs dieser Republik in die Enge treiben lassen“. Zur Erinnerung: Der SPD-Politiker Karl Lauterbach ist Mediziner, Aiwanger ist Landwirt. Wem würden Sie Ihre Gesundheit eher anvertrauen?
Und Armin Laschet? Der scheint immer noch darauf zu hoffen, dass der Sommer dieses nervige Virus schon irgendwie plattmachen wird. Bisweilen wirkt der Kanzlerkandidat der Union geradezu immun gegen den Rat von Fachleuten, zitiert dafür im nordrhein-westfälischen Landtag einen AfD-Abgeordneten und verkündet: „Immer wenn jemand ankommt und sagt: ,Die Wissenschaft sagt‘, ist man klug beraten, zu hinterfragen, was dieser gerade im Schilde führt.“
Nun kann man dem CDU-Chef zugutehalten, dass er damit ausdrücken wollte, dass es die Wissenschaft gar nicht gibt, weil auch unter Forschern unterschiedliche Meinungen vorherrschen. Aber genau wie Aiwanger schürt auch er mit solchen Wortbeiträgen eine Stimmung nach dem Motto: Wir werden uns doch nicht von Virologen erklären lassen, wie man mit einem Virus umzugehen hat. Nur, vielleicht sollten wir genau das wieder tun. Wir lassen uns ja auch von einem Automechaniker das Auto reparieren.
Etwa die Hälfte der Schüler kann noch gar nicht geimpft werden
Deutschland hat eine gute Chance, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Endlich ist genügend Impfstoff da und jedes Kind, das vor dem Virus sicher ist, verbessert die Aussichten, dass die Schulen im nächsten Winter offen bleiben. Aber wir sollten uns keine Illusionen machen: Trotz aller Überzeugungsarbeit werden sich viele Eltern dagegen entscheiden. Zudem gibt es eine Zulassung bislang ohnehin erst ab einem Alter von zwölf Jahren – etwa die Hälfte aller Schüler darf also gar nicht geimpft werden.
Wer es ernst meint mit dem hundertfach gegebenen Versprechen, dass Kinder und Familien nicht wieder die Leidtragenden einer nächsten Welle sein dürfen, sollte endlich mal seine Hausaufgaben in Sachen Luftfilter für alle Klassenzimmer erledigen, anstatt sich allein auf die Impfungen zu verlassen.