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Kommentar: So fremd waren sich CDU und CSU noch nie

Kommentar

So fremd waren sich CDU und CSU noch nie

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    Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sind sich in so manchem Punkt uneinig.
    Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sind sich in so manchem Punkt uneinig. Foto: Michael Kappeler (dpa), Archivbild

    Seit 60 Jahren sind CDU und CSU in der „Union“ vereint. Die beiden Parteien halten im Bundestag zusammen und kämpfen seit eh und je gemeinsam um die Macht. Ganz harmonisch ist es dabei nie zugegangen. Die CDU und ihre kleine bayerische Schwester, die ihre Erfolge im Freistaat auch ihrem bundespolitischen Einfluss verdankt und sich als konservative Korsettstange der Union versteht, sind schon oft aneinandergeraten.

    1976 kam es fast zum Bruch

    Nur einmal, 1976 zu Zeiten von Kohl und Strauß, sind die Streitigkeiten bis zum Äußersten eines möglichen Bruchs getrieben worden. Damals obsiegte die Erkenntnis, dass die Schwestern gemeinsam mehr erreichen können als getrennt. Und weil dieser Befund heute noch zutrifft, wird die Union auch ihre jüngste Krise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überstehen. Ein Ende der Fraktionsgemeinschaft liefe ja, weil die CDU darauf mit dem Einmarsch in Bayern reagieren würde, auf das Ende der CSU-Dominanz in Bayern hinaus. Das hat Franz Josef Strauß 1976 nicht riskiert, das wird auch Horst Seehofer nicht riskieren. Und so weit ist die Verzweiflung der CSU über den Absturz der inzwischen bei rund 30 Prozent angelangten Union noch nicht gediehen, als dass sie – bei allen Drohungen und Muskelspielen in Richtung Berlin – leichtfertig ihre Machtbasis in Gefahr brächte.

    Andererseits ist ja die Beziehung der Schwesterparteien in diesen Tagen tatsächlich auf einem „historischen Tiefpunkt“ (Stoiber) angelangt. Nie war man in der Sache so weit auseinander, nie einander so fremd. Das Verhältnis zwischen den Parteiführern und ihren Büchsenspannern ist zerrüttet. Seehofer lässt seit Monaten keine Gelegenheit aus, um die Kanzlerin anzugreifen und zu einem Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik aufzufordern. Merkel hat diese Kritik lange an sich abperlen lassen – mit jener aufreizenden Gelassenheit, die den Oberbayern erst recht zur Weißglut brachte. Inzwischen keilt Merkel auch zurück und schanzt die Schuld an den Wählerverlusten der CSU und deren ständigen Attacken zu. Das schiere Machtkalkül legt beiden ein Ende der Feindseligkeiten nahe, weil der ständige Schlagabtausch der Union zweifellos schadet. Doch man sieht nicht, wie die in die Tiefe rauschende CDU und die weiter bei knapp 50 Prozent gehandelte CSU rasch zur Geschlossenheit zurückfinden könnten.

    Die Kanzlerin braucht notfalls nicht mal 35 Prozent

    Ginge es „nur“ um die Steuerpolitik oder die Energiewende, ließen sich die Reihen leicht schließen. Und viele jener Maßnahmen Merkels, die zur Abwendung konservativer Stammwähler geführt haben, sind ja – wie der Atomausstieg oder die Abschaffung der Wehrpflicht – von der CSU mitgetragen worden. In Wahrheit ist es vor allem die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, die CDU und CSU entzweit hat und nun den Dreh- und Angelpunkt des Streits um die Strategie der Union bildet.

    Der Niedergang in der Gunst des Publikums und der Aufstieg der AfD haben mit Merkels Politik der offenen Grenzen begonnen. Die Kanzlerin hält, trotz einiger Wendemanöver, an ihrer Linie fest, weil sie auf die Entzauberung der AfD setzt und womöglich nicht mal 35 Prozent braucht, um auch die nächste Regierung bilden zu können. Seehofer will der rechten Konkurrenz mit einer Wende in der Flüchtlingspolitik und einem stärkeren konservativen Profil das Wasser abgraben, weil eine dauerhaft etablierte AfD der Union insgesamt und insbesondere der CSU massive Verluste bescheren würde. Das ist der Kern des Konflikts. Er ist nur zu lösen, wenn die Kanzlerin dem Abstieg ihrer auf 25 Prozent zusteuernden CDU nicht weiter zusieht und die CSU der Versuchung widersteht, ihre Haut durch eine inhaltliche Annäherung an die AfD retten zu wollen.

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