Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Sigmar Gabriel hat viele Handicaps - und ein Dilemma

Kommentar

Sigmar Gabriel hat viele Handicaps - und ein Dilemma

    • |
    Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel will im Januar einen Vorschlag zur Kanzlerkandidatur machen.
    Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel will im Januar einen Vorschlag zur Kanzlerkandidatur machen. Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)

    Angela Merkel will es noch einmal wissen. Die Kanzlerin kandidiert für eine vierte Amtszeit – wohl wissend, dass dieser Wahlkampf in Zeiten einer angespannten innen- wie außenpolitischen Lage und angesichts einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft ihr bislang schwerster sein wird. Die Frage, wen die SPD gegen sie in den Ring schickt, könnte sich schon in den nächsten Tagen beantworten. Die Vorentscheidung dürfte bereits morgen fallen, wenn sich Parteichef Sigmar Gabriel, seine Stellvertreter, Fraktionschef Thomas Oppermann und (Noch-)EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in Düsseldorf treffen.

    Seit Schulz offen angedeutet hat, er rechne nicht damit, Kanzlerkandidat zu werden, ist die Sache klar: Alles läuft auf Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hinaus. Schon jetzt kann sich der 57-jährige Niedersachse auf starke Bataillone stützen. Öffentlich haben sich mehrere Ministerpräsidenten sowie der einflussreiche „Seeheimer Kreis“ im Bundestag für ihn ausgesprochen. Dagegen hat die Parteilinke alle Versuche aufgegeben, Schulz auf den Schild zu heben. Ihr fehlt es an Truppen.

    Merkel kontra Gabriel – das könnte in normalen Zeiten ein spannendes Duell werden, verkörpern die beiden doch von ihrer Art her völlig gegensätzliche Politikstile. Der nüchternen, rationalen und kühlen Kopf-Politikerin Merkel steht ein eher emotionaler, oftmals spontaner und polternder Bauch-Politiker gegenüber, der noch dazu ein begnadeter Redner ist und ein sensibles Gespür für die Stimmung der Menschen hat. Gabriel könnte das Zeug dazu haben, die Amtsinhaberin in die Defensive zu drängen und ihr das Leben schwer zu machen. Doch die Zeiten sind eben nicht normal.

    Die SPD hat keine andere Option als die GroKo

    Zudem muss der Herausforderer mit mehreren Handicaps kämpfen, die seinen Wahlkampf massiv erschweren. Als Vizekanzler und Wirtschaftsminister hat er nicht nur die bisherige Regierungsarbeit mit zu verantworten, sondern er ist auch in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Als SPD-Kanzlerkandidat kann er schlecht gegen die Arbeit der Großen Koalition zu Felde ziehen. Daran ist schon Steinmeier 2009 gescheitert.

    Zudem fehlt der SPD eine echte Machtoption. Rot-Rot-Grün ist nur eine Schimäre, die in der Fantasie existiert. Das „breite Linksbündnis“, von dem linke Sozialdemokraten, Fundi-Grüne und Realo-Linke träumen, hat nach allen Umfragen weder eine Mehrheit, noch taugt es in der Praxis, sind doch die inhaltlichen Unterschiede in Kernfragen der Politik zu groß – wie gerade in Berlin zu besichtigen ist. Dort entzweit die Frage der Ausweitung der Videoüberwachung schon wenige Wochen nach der Regierungsübernahme das rot-rot-grüne Dreierbündnis im Roten Rathaus.

    Die innere Sicherheit wird das zentrale Thema der politischen Auseinandersetzung werden. Da aber liegen ganze Galaxien zwischen SPD, Grünen und Linken. Die Spitzenkandidatin der Linken, Sahra Wagenknecht, tut alles, um ein Mitregieren ihrer eigenen Partei zu verhindern. Nicht zuletzt fehlt der SPD ein Mann vom Kaliber eines Otto Schily, der einst als Innenminister glaubhaft eine Politik von „Law and Order“ verkörperte und die Flanke zur Union abdeckte.

    So steht Sigmar Gabriel vor einem kaum zu lösenden Dilemma. Er muss im Wahlkampf die SPD von der Regierung absetzen, um ihr Profil zu schärfen, darf dabei aber nicht zu weit gehen, weil er am Ende des Jahres vor der ungleich schwereren Aufgabe stehen wird, seiner Partei als einzige Option die Fortsetzung der Großen Koalition zu empfehlen – mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden