Die beste Nachricht zuerst: Die Franzosen haben am Sonntag dem unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron die Chance gegeben, bei der Stichwahl am 7. Mai nächster Präsident Frankreichs zu werden. Und damit einem überzeugten Pro-Europäer und Vertreter einer jüngeren Politiker-Generation, der die traditionelle Links-Rechts-Konfrontation aufbrechen und im Zentrum regieren will.
Damit bescherten die Wähler dem Republikaner François Fillon ein frühzeitiges Aus, der nach dem Skandal wegen Scheinbeschäftigung und den Betrugsvorwürfen nicht mehr glaubwürdig war. Das bewies er auch mit seinen heftigen Angriffen auf die Justiz, die gegen ihn ermittelt, sowie Medien, die enthüllten, dass er doch nicht der aufrecht-ehrliche Staatsmann ist, als der er sich präsentierte. Zu Recht kam nun die Rechnung.
Auch den Sozialisten Benoit Hamon katapultierte das Votum ins Abseits. Seine Ideen, wie die von einem bedingungslosen Grundeinkommen, mochten zwar innovativ erscheinen - angesichts der wirtschaftlichen Schwäche Frankreichs aber auch illusorisch.
Schlechtere Nachricht: Hohes Ergebnis für Marine Le Pen
Die Wahl zeigt, dass es ein großes Potenzial für die Linke in Frankreich gibt, die insgesamt die Mehrheit hat, aber die sozialliberale Linie Macrons setzte sich durch. Weil sie Brücken schlägt. Beide großen Volksparteien müssen nun aufarbeiten, warum sie die zweite Runde verpasst haben. Das war noch nie da.
Emmanuel Macron im Porträt
Emmanuel Macron ist der Senkrechtstarter der französischen Politik. Einige nennen ihn bereits den "französischen Kennedy".
In seinem Lager entfacht der zierlich wirkende Mann Begeisterung. Schon vor der Wahl war von "Macromania" die Rede.
Sein Wahlkampfbuch nannte er schlicht "Révolution".
Erst vor einem Jahr gründete der frühere Wirtschaftsminister seine Bewegung "En Marche!" (Auf dem Weg).
Einen klassischen Parteiapparat hat er bis heute nicht. Er spricht Menschen an, die eine Erneuerung wollen, aber Extreme ablehnen.
Macron führt sein Wahlkampfteam wie ein Start-up-Unternehmen. Er will "neue Gesichter" in die Top-Etage der Macht bringen.
Falls er gewinnt, soll ein erheblicher Teil der Minister seiner Regierung nicht aus der Politik kommen.
Der 39-Jährige ist ein Europafreund. "Ich habe Europa im Herzen", lautet sein Motto.
Das macht ihn zum prominentesten Widersacher der Rechtspopulistin Marine Le Pen, die die Europäische Union bekämpft und in ihrem Land den "neuen Franc" als Währung einführen will.
Macron gab schon vor langer Zeit sein Parteibuch bei den Sozialisten ab. Er positioniert sich "weder rechts noch links".
Im Wahlkampf bekannte er, Außenseiter zu sein. In der Tat wurde Macron noch nie in ein Amt gewählt.
Der ehrgeizige Kandidat war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie...
... Dann holte ihn der sozialistische Präsident François Hollande in den Élyséepalast. 2014 wurde er Wirtschaftsminister.
Macron ist seit 2007 mit der wesentlich älteren Französisch-Lehrerin Brigitte Macron (64) verheiratet, die er seit seiner Schulzeit in Amiens kennt.
Sie organisiert im Wahlkampf und "coacht" ihren Mann. Das ungewöhnliche Paar könnte im Élyséepalast für richtigen Glamour sorgen.
Auch eine schlechtere Nachricht brachte der Wahltag hervor: Das hohe Ergebnis für die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Zwar lag sie hinter den eigenen Erwartungen zurück, ist keineswegs stärkste Kraft wie lange befürchtet. Trotzdem ist es der Chefin des Front National gelungen, mit ihren Forderungen nach einem Einwanderungsstopp und einem Referendum über einen EU-Austritt Frankreichs viele Menschen an einer empfindlichen Stelle zu treffen: der Frage nach ihrer Identität.
Ihre Wähler haben Angst, in der Globalisierung unterzugehen. Angst, gegenüber Muslimen und Ausländern in die Minderheit zu geraten. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sie in zwei Wochen tatsächlich zur Präsidentin gewählt wird. Doch bemerkenswert erscheint bereits, dass ihre Qualifizierung keinen überrascht.
Marine Le Pen im Porträt
Marine Le Pen bietet einfache Erklärungen für Frankreichs Probleme: Die "massive Einwanderung" sei schuld und die Entmündigung durch "Technokraten" aus Brüssel.
Die Rechtspopulistin hat den Auftritt ihrer Partei modernisiert und damit schon viele gute Wahlergebnisse eingefahren.
Nun steht sie wie 2002 ihr Vater Jean-Marie Le Pen in der Stichwahl um den Élyséepalast.
Statt mit der martialischen Flamme der Front National (FN) wirbt die 48-Jährige mit einer Rose, ohne Dornen und natürlich in Marineblau.
Seit sie den Parteivorsitz 2011 von ihrem Vater übernahm, hat sie der Rechtsaußenpartei eine "Entteufelung" verordnet, ein gemäßigteres Auftreten. Offener Rassismus und Antisemitismus werden geahndet.
Le Pen setzt aber weiter auf Abschottung und radikale Positionen gegen Europäische Union und Einwanderung. In ihren Reden spielt sie geschickt auf der Klaviatur von Frust und Ängsten etwa vor dem Islam.
"Feindbilder sind ein fester Bestandteil in der Rhetorik von Marine Le Pen", schreibt Tanja Kuchenbecker, Autorin eines Buchs über die Rechtspopulistin.
Vorwürfe wie den Verdacht der Scheinbeschäftigung von FN-Mitarbeitern im EU-Parlament konnte die Europaabgeordnete ihren Anhängern bislang als Manöver ihrer Gegner verkaufen.
Marine Le Pen kam 1968 als jüngste Tochter des rechtsextremen Polit-Haudegens Jean-Marie Le Pen zur Welt, der die FN in vier Jahrzehnten von einer Splittergruppe zu einer wichtigen Stimme in Frankreich machte.
Im Alter von acht Jahren wurde sie von einer Bombenexplosion aus dem Schlaf gerissen - ein Anschlag auf ihren Vater.
Die Trennung ihrer Eltern wurde zur Seifenoper, als die Mutter im "Playboy" posierte.
Le Pen studierte Jura und arbeitete erst als Rechtsanwältin, dann führte sie die Rechtsabteilung der Front National. Sie hat drei Kinder.
Ihre zwei Ehen gingen auseinander, heute ist sie mit dem FN-Europaabgeordneten Louis Aliot liiert.
Für die Strategie der "Entteufelung" ließ sie 2015 sogar ihren Vater aus der FN ausschließen, nachdem er die Gaskammern der Nazis erneut als "Detail" der Geschichte bezeichnet hatte.
Eine sogenannte Mikropartei des 88-Jährigen lieh ihr trotzdem Millionen für den Präsidentschaftswahlkampf.
Ein starker Front National ist längst Normalität und übersetzt die weit verbreitete EU-feindliche Stimmung im Land. Zwei Visionen stehen einander künftig gegenüber: Le Pens tiefschwarzes Bild von einem Frankreich, das von Brüssel und Berlin fremdbestimmt werde und dessen wirtschaftliche Probleme allein den Kosten der Einwanderung und dem unlauteren Wettbewerb anderer EU-Länder geschuldet seien. Dagegen schlägt sie Abschottung in jeder Hinsicht vor: wirtschaftlich, mental, politisch.
Diametral entgegengesetzt erscheint Macrons Ansatz, der dem Land wieder Mut machen, Blockaden lösen, es nicht nur in Europa halten, sondern zu einem starken Partner ausbauen will. Wie eine gute Nachricht bei der Stichwahl lauten würde und wie die schlechte? Die Antwort erscheint eindeutig.
Das Präsidialsystem in Frankreich
Der Präsident ist in Frankreich der Staatschef, führt aber nicht die Regierung.
Das ist Aufgabe des Premierministers, der vom Präsidenten ernannt wird.
Weil die Nationalversammlung die Regierung mit einem Misstrauensvotum stürzen kann, muss aber faktisch eine Mehrheit der Abgeordneten hinter dem Premierminister stehen.