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Kommentar: Seine Europareise zeigt: US-Präsident Joe Biden ist kein Softie

Kommentar

Seine Europareise zeigt: US-Präsident Joe Biden ist kein Softie

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    US-Präsident Biden kündigte ein "neues Kapitel in den transatlantischen Beziehungen" an - doch was heißt das für Eurpa?
    US-Präsident Biden kündigte ein "neues Kapitel in den transatlantischen Beziehungen" an - doch was heißt das für Eurpa? Foto: Stephanie Lecocq, dpa

    Von der Europareise des neuen US-Präsidenten Joe Biden wird vor allem in Erinnerung bleiben, was er alles NICHT getan hat. Er hat seine Gesprächspartner nicht bereits im Anflug wüst beschimpft und jede Minute mit ihnen als Zeitverschwendung bezeichnet. Er hat nicht gleich nach einem Treffen jede denkbare Einigung per Tweet in der Luft zerrissen. Er hat niemanden offen beleidigt, kein Land verwechselt und nicht einmal die britische Königin brüskiert (wenn auch Bidens Auftritt mit Sonnenbrille Protokoll-Puristen im Palast ebenfalls nervös machte).

    All das reichte, um Bidens Reise aus Sicht der Europäer zu einem vollen Erfolg zu machen. Das zeigt vor allem: die ungeheuer niedrigen Erwartungen nach dem Frust der Trump-Jahre. Doch wer genauer hinein horchte in die ganzen Gipfelkonferenzen, vernahm natürlich einen neuen Ton – aber keine wirklich neue Botschaft.

    Joe Biden muss in der Heimat siegen

    Gewiss, es ist höchst erfreulich, dass ein amerikanischer Präsident wieder über Werte spricht, auch über gemeinsame Projekte wie den Klimaschutz. Mit einer strategischen Kehrtwende hat das aber herzlich wenig zu tun. Eins bleibt trotz aller Biden’schen Anfangserfolge wahr: siegen muss er an der Heimatfront. Die USA sind auch unter ihrem neuen Präsidenten ein zutiefst gespaltenes Land. Zwar brachte Biden seine gewaltigen Konjunktur- und Investitionsprogramme relativ problemlos durch den Kongress, doch dies ist vor allem der Pandemie-Sondersituation geschuldet - und der Entschlossenheit der von Trump gedemütigten Demokraten, ihre hauchdünnen Mehrheiten entschieden zu nutzen. Bidens Popularitätswerte liegen über denen seines Vorgängers, das ist aber keine Kunst, denn der stellte historische Tiefstände auf. Sie liegen mit knapp über 50 Prozent weit entfernt vom Rückhalt, den wirklich populäre Präsidenten wie Franklin D. Roosevelt aufwiesen, die das US-System komplett umkrempeln konnten.

    Vor allem aber hat sich an einer schärferen Ausrichtung der US-Außenpolitik trotz aller sanfteren Töne nichts geändert. Das zeigte sich auch in Bidens Treffen mit Wladimir Putin, bei dem von einem Neuanfang, wie unter Obama, nicht einmal mehr die Rede war.

    Wer sagt denn, dass Amerika verlässlich bleibt?

    Noch mehr gilt dies für das Verhältnis zu China: Barack Obama leitete den amerikanischen Schwenk gen Asien ein. Biden folgt nun, da ganz in Trumps Fußstapfen, mit dem Schwenk gegen

    Kann so ein (ja durchaus bequemer) Dualismus noch funktionieren, wenn es zum chinesisch-amerikanischen Duell kommt? Die Frage, auf welcher Seite Berlin dann steht, wird Biden jedem neuen Kanzler oder jeder neuen Kanzlerin stellen. Erfahrene Außenpolitiker wissen dies, daher ist der Jubel über „Amerikas Comeback“ verhalten. Sie wissen auch: Trumps Amerika ist nicht weg, es könnte sich schon bei den Kongresswahlen kommendes Jahr zurück melden. Die Frage, wie verlässlich die USA als Partner noch sind, sie bleibt.

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