So viel Aufmerksamkeit hatte Norbert Röttgen zuletzt nicht so oft. Die Ankündigung seiner Kandidatur für den CDU-Parteivorsitz zog viele Journalisten an, der Außenpolitiker genoss es sichtlich. Röttgen redete lang, er redete frei, das kann er, das hat er gelernt in dem Vierteljahrhundert, dem er nun schon dem Bundestag angehört. Aber kann Röttgen die CDU führen?
Röttgens Karriere ist auch eine des Scheiterns. 2012 wollte er Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen werden. Die Wahl endet mit einem dramatisch schlechten Abschneiden der CDU. Röttgen ging zurück nach Berlin, Kanzlerin Angela Merkel warf ihren Umweltminister aus dem Kabinett. Später flog er noch aus dem CDU-Bundesvorstand.
AKK-Nachfolge: Röttgens Kandidatur sorgt für noch mehr Unruhe
Röttgens Schritt ist mutig, weil er sich gegen drei namhafte Mitbewerber stellt. Sein Schritt ist bemerkenswert, weil er den Glauben in die Demokratie stärkt. Hier tritt einer an, der nicht vorher die Truppen hinter sich versammelt hat. Sondern einer, der sagt: Hier bin ich und mache ein Angebot.
Andererseits bringt Röttgens Vorgehen noch mehr Unruhe in die Partei. Es gab von den Mitbewerbern Jens Spahn und Armin Laschet vorsichtige Ansätze, eine Teamlösung hinzubekommen. Röttgen aber hat mit beiden nicht gesprochen, er ist an einer einvernehmlichen Lösung nicht interessiert.
CDU-Parteivorsitz: Röttgen wird es als Einzelkämpfer schwer haben
Röttgen will den Wettbewerb. Das war früher das Mittel zur Wahl. Doch heutzutage, das hat das Gezerre bei der SPD gezeigt, reden alle mit: Die Mitglieder, die Nachwuchsorganisationen, die Nutzer im Internet. Da funktionieren die alten Mechanismen nicht mehr, an deren Ende die Delegierten eines Parteitags den Vorsitzenden bestimmen. Einzelkämpfer haben deshalb wenig Chancen.
"Meine Uhr geht ein bisschen nach. Das muss ich gleich mal korrigieren", murmelte Röttgen vor der Pressekonferenz. In der Tat wirkt der Kandidat mit seinem Vorgehen ein wenig aus der Zeit genommen. Anderseits kann er noch nachbessern, vielleicht trifft er sogar den Geschmack der Stammwähler. Das wird sich erweisen. Wie es ausgeht, ist völlig offen. Spannend bleibt es allemal.
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.