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Kommentar: Politisch mag Sebastian Kurz nicht am Ende sein – moralisch ist er es längst

Kommentar

Politisch mag Sebastian Kurz nicht am Ende sein – moralisch ist er es längst

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    Sebastian Kurz (ÖVP) ist als österreichischer Bundeskanzler zurückgetreten.
    Sebastian Kurz (ÖVP) ist als österreichischer Bundeskanzler zurückgetreten. Foto: Georg Hochmuth, dpa

    Österreich ist dieser Tage Anschauungsbeispiel, was passieren kann, wenn ein junger Machiavellist eine traditionsreiche, konservative Partei der Mitte zur sektenhaften „Bewegung“ umformt, mit rechtspopulistischen Themen Wahlerfolge und die politische Macht erringt und schließlich aufgrund der Methoden, die er bei seinem Masterplan für die Macht im Staate mutmaßlich angewandt hat, ins Visier der Staatsanwaltschaft gerät.

    Sebastian Kurz und das von ihm geschaffene System haben Österreich an den Rand der Unregierbarkeit gebracht, daran ändert auch seine vorläufige Flucht ins Parlament nichts. Die massive Korruptionsaffäre stellt nicht nur den Ibiza-Skandal in den Schatten, sie offenbart eine tiefe, systemische Krise in der einst so beschaulichen Alpenrepublik. Sie sollte konservativen Parteien und Politikern, die überall in Europa gerne „einen wie Kurz“ an der Spitze sehen wollen, eine Mahnung sein.

    Sebastian Kurz tritt als österreichischer Kanzler zurück

    Der nun von einigen Beobachtern als „staatsmännisch“ bezeichnete, kalkulierte Rückzug des einstigen „Wunderkanzlers“ soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kurz nicht nur seine eigene Partei, sondern das gesamte Land in Geiselhaft genommen hat. Sein unbändiger Wille zur politischen Macht bedingt auch, nicht nur mit allen politischen Konventionen zu brechen, sondern auch jene Institutionen anzugreifen, die für das in Demokratien lebenswichtige Gleichgewicht sorgen: Das Parlament, die unabhängigen Medien und vor allem die Justiz.

    Der bisherige Außenminister Schallenberg (rechts) vertritt in Fragen der Migration einen genauso harten Kurs wie Kurz.
    Der bisherige Außenminister Schallenberg (rechts) vertritt in Fragen der Migration einen genauso harten Kurs wie Kurz. Foto: Robert Jaeger, dpa

    Wer von den Wählern die Macht über eine Gewalt verliehen bekommt, der muss sich von den anderen, getrennten Gewalten kontrollieren lassen. Das ist der Deal in einer Demokratie. Sebastian Kurz sieht das nicht ein. Er will mit dem Kopf durch die Wand. Der Wille zur Macht bedingt auch, das zeigen vor allem die unzähligen Chat-Nachrichten, eine schier unglaubliche Verrohung.

    Viele haben Sebastian Kurz als politisches Wunderkind bewundert

    Für Kurz, der auch von den internationalen Medien zum politischen Wunderkind erklärt worden war und als konservativer Erneuerer und Supertalent bewundert wurde, ist die Grenze seines Handelns das Strafrecht. Der Bruch mit all den ungeschriebenen, eben nicht gesetzlich definierten Konventionen in einer Demokratie ist der Ausgangspunkt für eine Spirale der Polarisierung, die Österreichs Politik und Gesellschaft nun in einen Zustand gefährlicher Instabilität gebracht hat.

    Populismus ist kein Erfolgsmodell – er spaltet die Gesellschaft, macht Politik dysfunktional, das System im schlimmsten Falle handlungsunfähig. „Alle gegen mich“, das war schon im Nach-„Ibiza“-Wahlkampf 2019 das Credo von Kurz. Sein Plakat-Slogan nach dem damals erfolgreichen Misstrauensantrag im Parlament, dem Kurz dieses Mal durch seinen Rücktritt zuvor gekommen ist, bringt die Missachtung des Parlaments, der Prinzipien des repräsentativen Systems und seinen Populismus auf den Punkt: „Das Parlament hat bestimmt. Das Volk wird entscheiden.“

    Moralisch ist Sebastian Kurz am Ende

    Politisch mag der einst gefeierte konservative Erneuer noch nicht am Ende sein, moralisch ist er es längst. Ob sein Schimären-Spiel aufgeht und sich die Spirale der Polarisierung in Richtung Autokratie gleich wie in Ungarn, in Polen, Slowenien und Italien weiterdreht, wird die Zukunft zeigen.

    „Die Grenze ist das Strafrecht“– diese Grenze ist für den Wunderkanzler nun im wortwörtlichen Sinne erreicht. Für ihn gilt juristisch die Unschuldsvermutung, politisch aber zeigt der Fall des Sebastian Kurz eines: Die Grenzen in einer Demokratie verlaufen nicht entlang des Strafrechts. Es gilt, diese Grenzen enger zu ziehen. Sonst schafft eine Demokratie sich von innen heraus selbst ab.

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