„Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ ist nicht irgendein Buch. Es ist nichts weniger als das Bewerbungsschreiben von Annalena Baerbock für das Amt der Bundeskanzlerin. Gerichtet an ihren möglichen Arbeitgeber, die Menschen in Deutschland. Darum ist es für die Grünen-Kandidatin höchst gefährlich, dass der österreichische Plagiatsjäger Stefan Weber jetzt den Vorwurf erhebt, sie habe einige Stellen fast wörtlich aus anderen Quellen übernommen.
Plagiat? Buch von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock steht in der Kritik
Gerade erst hat Baerbock die Debatten um ihren aufgehübschten Lebenslauf und die dem Bundestag zu spät gemeldeten Nebeneinkünfte halbwegs überstanden. Umso brisanter sind die Anschuldigungen, sie habe Textbausteine für ihr Buch womöglich einfach in Medien, bei einem US-Wissenschaftler und der Bundeszentrale für politische Bildung zusammengeklaubt.
Bei den Grünen herrscht nun offenbar nackte Panik. Auf die Vorwürfe um die irreführenden Angaben in ihrer Biografie hatte Baerbock noch mit zerknirschter Einsicht reagiert: „Das war Mist“. Außerdem sagte sie, die Angaben, etwa zu Mitgliedschaften in prestigeträchtigen Organisationen, hätten „unbedingt einer gründlichen Kontrolle“ bedurft. Obwohl das anscheinend auch für die fraglichen Passagen in ihrem Buch gilt, reagiert die Parteizentrale diesmal mit heftiger Gegenwehr. Grünen-Mitglieder wurden aufgefordert, sich in den sozialen Medien hinter "Annalena“ zu stellen. Rufmord, Schmutz, eine Kampagne seien die Behauptungen, so der Tenor. Ein prominenter Medienanwalt wird engagiert, der den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung scharf zurückweist. Das ist natürlich ein Stückweit ein Ablenkungsmanöver. Denn hartes Urheberrecht ist in dieser Debatte nur zweitrangig. Es geht schließlich nicht etwa um bahnbrechende Forschungsergebnisse, die Baerbock geklaut hätte.
Plagiats-Vorwürfe gegen Annalena Baerbock: Das wäre leicht zu vermeiden gewesen
Vergleichbar mit den Vorgängen um abgekupferte Doktorarbeiten, die Spitzenpolitiker wie Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Annette Schavan (CDU) oder Franziska Giffey (SPD) zum Verhängnis wurden, ist das Affärchen nicht. Es geht um Formulierungen und Versatzstücke aus fremden Texten, bei denen sich Baerbock offenbar allzu freimütig bedient hat. Nun ist nicht jeder Gedanke in Politikerbüchern nie zuvor gedacht worden.
Wer aber Rohstoff für seine Texte in anderen Bergwerken abbaut, sollte entweder sauber zitieren und auf die Quelle verweisen. Oder zumindest den Sachverhalt mit eigenen Worten neu formulieren. Das gilt schon für Schulaufsätze und erst recht in der Welt der Akademiker, Kreativen und Künstler, in der gerade die Grünen viele Sympathien genießen. Dieses Publikum ist fein gestimmt in diesen Dingen und weiß: Wenn Schriftsteller oder Komponisten sich allzu offensichtlich im Werk von Kollegen bedienen, gibt es Streit, der nicht selten vor Gericht endet. Mangels Kläger muss Baerbock das wohl nicht befürchten.
Egal, wer Mitautor war: Verantwortung für ihr Buch hat Annalena Baerbock allein
In der Sache ist auch gar nicht entscheidend, ob das Malheur nun Baerbock selbst passiert ist, möglichen Ghostwritern oder den Lektoren im Verlag. Auf dem Buchdeckel steht Annalena Baerbock, darum ist sie allein verantwortlich dafür, was drinsteht. Ihr Buch ist keine Arbeit, die sie irgendwann als aufstrebende Nachwuchspolitikerin verfasst hat. Es entstand zu einem Zeitpunkt, als ihre Kanzlerkandidatur schon im Raum stand. Dass ihre Gegner auf der Suche nach Angriffspunkten jeden Stein umdrehen würden, muss ihr und ihren Beratern stets bewusst gewesen sein.
Wer Regierungschefin in einem der wichtigsten Länder der Welt werden will, darf sich einfach keine solchen Klöpse leisten. Denn nicht erzwungene Fehler sind im Tennis wie in der Politik oft spielentscheidend. Leichtfertig angreifbar gemacht hat Baerbock sich aber nun in den vergangenen Wochen gleich mehrfach. Ihr Buch ist im Wesentlichen ein Cocktail aus grüner Programmatik und eigenen Erlebnissen von Baerbock. Mit dem einzigen Ziel zu zeigen, dass die Autorin die richtigen Ideen für die Zukunft Deutschlands hat. Eng an fremde Texte angelehnter Passagen hätte es dafür gar nicht bedurft. Staatstragend wollte Baerbock damit wohl wirken. Nun droht sich der für die Kandidatin peinliche Eindruck zu verfestigen, ihr und ihrem Umfeld fehle es an Sorgfalt und Professionalität.