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Kommentar: Pakt gegen China: Joe Biden macht die Nato zum politischen Bündnis

Kommentar

Pakt gegen China: Joe Biden macht die Nato zum politischen Bündnis

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    Die Nato plant umfassende Reformen. Im Bild: Soldaten der Bundeswehr in einem Feldlager im afghanischen Kundus.
    Die Nato plant umfassende Reformen. Im Bild: Soldaten der Bundeswehr in einem Feldlager im afghanischen Kundus. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Die Nato hat keine Feinde. Diese Sprachregelung ist so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz in der Brüsseler Zentrale der Allianz. Man pflegt diplomatischer miteinander umzugehen und spricht deshalb lieber von „Herausforderungen“, in ernsteren Fällen von einer „Bedrohung“. China wurde bei diesem Gipfeltreffen der 30 Staats- und Regierungschefs erst einmal als „Herausforderung“ benannt. Es soll ein Warnschuss sein.

    Dabei spielt Pekings Verteidigungshaushalt, der zweitgrößte der Welt, ebenso eine Rolle wie Chinas Marine, die größte auf diesem Globus – und natürlich die wachsenden Fähigkeiten in vielen anderen militärischen Bereichen. Aber das, was die Nato wirklich beunruhigt, ist die zunehmende Abhängigkeit, die Peking vor allem zu jenen schafft, die sich fernöstlicher Technologie oder sogenannten „Partnerschaftsprogrammen“ wie der Seidenstraße anschließen. Von den Infrastrukturprojekten entlang der Seidenstraße profitieren unterm Strich vor allem chinesische Unternehmen. Das Bündnis ist beunruhigt, weil China sich zur Großmacht entwickelt hat, sich aber – siehe Menschenrechte oder Minderheitenschutz – nicht dieser Rolle entsprechend verhält.

    Pakt gegen China: Die Nato wird immer mehr zum politischen Projekt von Joe Biden

    Diese Ausrichtung nach Fernost ist das Werk des neuen US-Präsidenten Joe Biden. Er hat zunächst die G7 und am Montag die Nato hinter sich versammelt. Er wird dies am Dienstag beim EU-USA-Gipfel auch mit der Europäischen Union tun. Abseits der Freundlichkeiten, die eine von Bidens Amtsvorgänger Trump verunsicherte Allianz in einen regelrechten Harmonie-Rausch versetzte, steht die (erhoffte) Einigkeit gegen China für die Renaissance der weltweiten Führungsrolle, die der jetzige US-Präsident einnehmen will.

    Dabei geht es um eine militärische Übermacht, aber auch um ein Ringen politischer Systeme: Demokratie gegen Autokratie heißt sein Anliegen. All jene, die im Sturm auf das Washingtoner Capitol im Januar einen beginnenden Verfall des demokratischen Systems gesehen haben wollen, möchte Biden Lügen strafen. Die Nato als das größte Verteidigungsbündnis der Welt erscheint in seiner Vorstellung als wichtigste Kraft, um die Demokratie zu erhalten – gegen chinesisches Vormachtstreben, gegen Russlands aggressive Außenpolitik, gegen Cyberattacken und andere Versuche, die Demokratie zu unterlaufen und das Bündnis zu spalten. Bidens Nato ist deutlicher als bisher auch ein politisches Projekt.

    Politisches oder militärisches Bündnis? Es gibt offene Differenzen, wohin der Weg der Nato führt

    Doch die Allianz wird auch ein militärisches Bündnis bleiben müssen. Die Ausweitung des Beistandsversprechens auf den Weltraum gehört ebenso dazu wie die Frage, welche Rolle Künstliche Intelligenz bei den Waffensystemen der Zukunft spielen soll oder wie sich das Bündnis gegen Cyberattacken zur Wehr setzen kann, die sich nicht mehr gegen einzelne Unternehmen, sondern gegen die kritische Infrastruktur der Staaten richten könnte.

    Welche Beiträge Europa zu all dem leisten kann – dieser Streit kommt erst noch. Auf diesem Gipfel waren Dinge wie Einigkeit und Zusammenhalt wichtig. Das wurde zweifellos erreicht. Doch Reformen müssen nun in ein strategisches Konzept eingebunden werden. Dabei gibt es latente und offene Differenzen. Die Staats- und Regierungschefs aus dem Osten wollen weniger Aufmerksamkeit für China, dafür mehr Unterstützung gegen Russland. Großbritannien hat seinen neuen Flugzeugträger bereits auf eigene Faust nach Fernost verlegt. Frankreich möchte Europas Gewicht in der Nato stärken. Dieses Gipfeltreffen hat einen starken Schulterschluss der transatlantischen Familie gebracht. Aber die politischen Details werden noch viel Kraft kosten.

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