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Kommentar: Offene Schulen nur mit Impfung? Das wäre der falsche Weg

Kommentar

Offene Schulen nur mit Impfung? Das wäre der falsche Weg

Sarah Ritschel
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    Andere Länder impfen ihre Schüler schon.
    Andere Länder impfen ihre Schüler schon. Foto: Matthias Balk, dpa

    In der Schweiz entscheiden die Kinder selbst. Sobald dort ein Corona-Vakzin für Impflinge ab zwölf Jahren zugelassen ist, sollen die Schüler im Zweifelsfall allein bestimmen, ob sie einen Pieks mit der Spritze möchten oder nicht. Der Plan des Schweizer Bundesamts für Gesundheit wurde vor allem für Fälle erstellt, in denen Mutter und Vater eines Kindes sich streiten, ob eine Impfung großen Nutzen oder ein unberechenbares Risiko birgt.

    Spätestens Anfang Juni ist mit einer Freigabe des Biontech-Impfstoffs für Kinder auch in Deutschland zu rechnen. Und während das Gesundheitsministerium zum Beispiel in Bayern längst an einem Konzept arbeitet, um die Impfungen für Kinder logistisch effizient zu organisieren – vielleicht mit Impfteams direkt an den Schulen –, liegen Eltern nachts wach und grübeln. Während Ministerpräsident Markus Söder (CSU) plant, noch vor den Sommerferien möglichst viele Zwölfjährige zu immunisieren, fürchten erste Eltern eine "Impfpflicht durch die Hintertür".

    Corona-Pandemie: Schulen sind zuletzt immer sicherer geworden

    Diesen Eindruck sollte die Politik auf keinen Fall erwecken. Offene Schulen dürfen nicht an die Impfquote bei Kindern geknüpft werden. Das würde unnötigen Druck aufbauen, ablehnende Haltungen befördern und den gewohnten Alltag an Schulen im schlimmsten Fall noch lange unerreichbar machen.

    An Schulen wird verpflichtend getestet.
    An Schulen wird verpflichtend getestet. Foto: Ronny Hartmann, dpa

    Man muss es klar sagen: Auch ohne Impfung sind Schulen zuletzt immer sicherer geworden. Nur in den wenigsten Betrieben wird so streng getestet wie dort. Und je weiter die Infektionszahlen sinken, desto mehr Schüler werden noch vor den Sommerferien in die Klassenzimmer zurückkehren. Diese natürliche Entwicklung beziehen viele Eltern in ihre Überlegungen ein. Dazu kommen Ängste: Gibt es vielleicht doch Spätfolgen? Braucht es die Impfung, wenn Covid-19 bei Kindern ohnehin meistens harmlos verläuft? Sogar jene Mütter und Väter, die sich selbst ohne zu zögern immunisieren ließen, fürchten den Pieks für ihr Kind.

    Alle Eltern, egal ob für oder gegen die Impfung, bewegt wohl dasselbe Motiv: die Sorge, dass ihr Kind weiter hinter höheren Interessen zurückstehen muss. Zu oft entschied die Politik in dieser Pandemie von oben herab, was gut für die Jüngsten ist.

    Je mehr Kinder immun sind, desto schneller kehrt das Grundrecht auf Bildung zurück

    Aus gesellschaftlicher Perspektive hat jede Biontech-Spritze im Arm eines Schülers einen positiven Effekt – sie erhöht für alle Kinder die Chance auf einen dauerhaft normalen Alltag. Sie ist ein Beitrag zur seelischen Gesundheit der ganzen Generation. So lange klagten Eltern, Mediziner und Lehrer, dass Kinder die Vergessenen der Corona-Krise sind. Es stimmt: Während impfwillige Erwachsene darum kämpfen, rechtzeitig vor dem Pfingsturlaub zur illustren Gruppe der Vollgeimpften zu gehören, vermissen zehntausende Schüler noch immer ihre Freunde. Depressionen und Ängste nahmen zu. Je mehr Kinder immun sind, desto schneller bekommt die ganze Gruppe ihr Grundrecht auf Bildung zurück – unabhängig davon, ob irgendwo eine neue Corona-Mutation heranreift.

    Ein Schild weist an einer Schule auf die Maskenpflicht hin.
    Ein Schild weist an einer Schule auf die Maskenpflicht hin. Foto: Stefan Sauer, dpa

    Die wenigsten Mütter und Väter werden ihrem Kind leichten Herzens solche Freiheiten verwehren. Deswegen ist eine millionenschwere Informationskampagne für Eltern genauso wichtig wie die Impfaktion für Schüler. Kinder- und Jugendärzte sollen ausschwärmen. Sie müssen im großen Stil aufklären, am besten organisiert von der Schule. In Ländern wie Kanada und den USA werden Kinder schon geimpft. Mit diesen Daten kann man argumentieren. Gut informiert wägt es sich besser ab, ob die Chance auf einen kindgerechten Alltag mit offenen Schulen das Risiko einer Impfung überwiegt. Eins sollte am Ende aber genauso wichtig sein wie die Meinung aller Ärzte und Eltern: was das Kind will.

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