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Kommentar: Noch "mehr Europa" – und was will die Kanzlerin?

Kommentar

Noch "mehr Europa" – und was will die Kanzlerin?

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    Wie sieht die Zukunft der EU aus? Und was hat eigentlich die Kanzlerin für Pläne für die Europäische Union?
    Wie sieht die Zukunft der EU aus? Und was hat eigentlich die Kanzlerin für Pläne für die Europäische Union? Foto: Federico Gambarini, dpa

    Erst die Geschichte wird darüber urteilen, ob die Briten mit ihrem Ausstieg aus der Europäischen Union eine kapitale Dummheit begangen oder die Tür zu einer besseren Zukunft aufgestoßen haben. Sicher ist einstweilen nur, dass Großbritannien ohne die enge Anbindung an den europäischen Markt in wirtschaftliche Turbulenzen geraten könnte und die EU ihrerseits ohne das große, sicherheitspolitisch unentbehrliche Land deutlich geschwächt wird.

    Mit Strafaktionen ist niemandem gedient

    Viel wird davon abhängen, ob die "Brexit"-Verhandlungen 2019 im Streit oder mit einer für beide Seiten erträglichen Lösung enden. Die EU fährt, um nur ja keinen Präzedenzfall für einen kostengünstigen Ausstieg zu schaffen, eine harte Linie. Die Briten sollen akzeptieren, was ihnen besonders missfällt und maßgeblich zum knappen Erfolg der EU und Großbritannien auf Kompromiss-Suche beim Brexit)

    So plausibel diese Strategie anmutet, so muss doch auch dem Europa der 27 an der Fortführung der engen Partnerschaft gelegen sein. Gerade die Exportnation Deutschland, der im Clinch mit den Südländern ein verlässlicher Verbündeter abhandenkommt, hat ein vitales Interesse daran, dass der Handel mit der Insel weiter floriert. Mit Strafaktionen, wie sie in Brüssel und Paris erwogen werden, ist niemandem gedient – schon gar nicht

    Europas Einigung ist nicht unumkehrbar

    Der "Brexit" markiert eine historische Zäsur. Er zeigt, dass die Einigung Europas nicht "unumkehrbar" ist und die EU nur bei Strafe des Niedergangs so weitermachen kann wie bisher. Offenbar ist diese Botschaft angekommen – das Wort von der "Neugründung" Europas ist nun in aller Munde. Die Frage ist nur, was genau sich hinter dieser Formel verbirgt. Die Europäer müssten ihr Schicksal "in die eigenen Hände nehmen", hat die Kanzlerin gesagt und eine "Vertiefung der EU" angekündigt.

    Mit konkreten Plänen jedoch will sie erst nach der Wahl herausrücken. Dabei wüsste der Bürger schon gern, wohin die Reise gehen soll. Frankreichs Präsident Macron, so viel ist klar, will "mehr Europa", kreditfinanzierte Investitionen und mehr gemeinschaftliche Haftung – assistiert von der SPD, die "mehr Geld und mehr Solidarität für Europa" fordert, ohne jedoch ihre Idee einer "politischen Union der Vereinigten Demokratien" (Schulz) zu präzisieren.

    Macrons Europläne gehen weit über Merkels bisherige Linie (Hilfe nur gegen Reformen) hinaus und kämen Deutschland teuer zu stehen. Ließe sich die Kanzlerin darauf ein, müsste sie ihren Kurs völlig verändern. Merkel sollte daher vor der Wahl darlegen, zu welchen Zugeständnissen sie bereit ist.

    Auf gemeinsame Probleme konzentrieren

    So oder so läuft die EU nun Gefahr, sich in langwierigen Debatten um die "Vertiefung" zu verzetteln. Zumal noch "mehr Europa", noch mehr Zentralismus, noch mehr Schulden, noch mehr Umverteilung in die falsche Richtung zielen. Was Europa jetzt braucht, ist eine Konzentration auf jene Probleme, die nur gemeinsam zu lösen sind. Die Liste dringlicher Projekte reicht vom Aufbau einer Verteidigungs- und Digitalunion über eine gemeinsame Außenpolitik bis hin zu einer Einwanderungspolitik, die eine faire Verteilung von Flüchtlingen gewährleistet (Lesen sie dazu: Nach EU-Gipfel: Einigkeit über vieles, nicht aber über Flüchtlinge).

    Auf all diesen Feldern können wir "mehr Europa" und weniger Streit gut gebrauchen. Es wäre eine "Neugründung" im Sinne der meisten Bürger, die um den Wert der Einheit Europas wissen, sich jedoch in ihren Nationalstaaten besser aufgehoben fühlen als in fernen Brüsseler Superbehörden.

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