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Kommentar: Nahles' Rücktritt könnte das Ende der Großen Koalition sein

Kommentar

Nahles' Rücktritt könnte das Ende der Großen Koalition sein

Stefan Lange
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    Andrea Nahles tritt zurück.
    Andrea Nahles tritt zurück. Foto: Wolfgang Kumm (dpa)

    Zunächst sah es am Sonntag in Berlin nach einem schönen Tag aus. Die Sonne schien, es war warm und trocken. Bis dann kurz vor zehn Uhr eine Mitteilung von Andrea Nahles große Schatten warf: Die 48-Jährige kündigte frustriert ihren Rücktritt als SPD-Fraktionsvorsitzende und als Chefin der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an.

    Natürlich schien die Sonne auch nach dieser überraschenden Ankündigung weiter. Aber Nahles Schritt hat einen politischen Erdrutsch ausgelöst, der am Ende die große Koalition unter sich begraben könnte. In der Hauptstadt hatte niemand den Rücktritt von Nahles vorhergesehen. Ein solcher Schritt war zwar nicht gänzlich ausgeschlossen worden, aber dies galt nur für den Posten als Fraktionsvorsitzende. Den hatte die 48-Jährige schließlich selber zur Disposition gestellt und Neuwahlen ausgerufen. Die sollten aber erst am Dienstag stattfinden und möglicherweise wäre Nahles sogar bestätigt worden. Wenn auch nur mit einem knappen Ergebnis.

    Nahles Rücktritt als SPD-Chefin ist unverantwortlich

    Dass Nahles als Parteichefin hinschmeißt, hatten die Beobachter in Berlin hingegen nicht auf dem Radar. "Die Diskussion in der Fraktion und die vielen Rückmeldungen aus der Partei haben mir gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist", begründete Nahles ihren Schritt, der nur als unverantwortlich bezeichnet werden kann. Denn die Politik in Deutschland braucht gerade nichts dringender als Stabilität, und da gehört es zur Jobbeschreibung der Vorsitzenden einer Regierungspartei, dass sie dem Druck standhält, kämpft, Verantwortung übernimmt. Vorausgesetzt natürlich, es waren keine rein privaten Gründe, die Nahles zum Rücktritt bewogen haben. Davon ist bislang aber nicht die Rede.

    Die Frage ist, von welchem Rückhalt Nahles da redet, der ihr nun abhandengekommen sein soll? Bereits bei ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden hatte die ehemalige Bundesarbeitsministerin im April letzten Jahres nur 66 Prozent der Stimmen bekommen. Das war ein grottiges Ergebnis, eines der schlechtesten Resultate in der langen SPD-Geschichte. Wenige Wochen zuvor hatten die SPD-Delegierten Koalitionsgespräche gebilligt, aber nur mit mageren 56 Prozent Zustimmung. Eine maßgebliche Befürworterin solcher Verhandlungen war Andrea Nahles.

    Jetzt hat Nahles keine Lust mehr. Mit ihrem Schritt wolle sie die Möglichkeit eröffnen, dass in beiden Funktionen in geordneter Weise die Nachfolge geregelt werden kann, erklärte Nahles, doch das klang wie Hohn. Denn angesichts des bislang schon schlimmen Durcheinanders in ihrer Partei muss sie gewusst haben, dass sich das Chaos in der SPD vergrößert. Dass die Abgeordnete Nahles ihr Mandat zurückgeben will, ist dabei nur noch eine Randnotiz.

    Andrea Nahles hätte bei der SPD für einen geordneten Übergang sorgen müssen

    Nahles hätte drei Monate vor den wichtigen Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg zumindest für einen geordneten Rückzug sorgen und Nachfolgerinnen benennen können. Hat sie aber nicht. Seit Montag ist klar, dass die SPD kommissarisch von einem Trio geführt werden soll - darunter auch von Malu Dreyer.

    Eine Dauerlösung dürfte das aber nicht sein, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin hat schon bei früheren Gelegenheiten durchblicken lassen, dass sie keine Lust auf Berlin hat. Nahles Rücktritt wirkt sich auch auf den Koalitionspartner aus. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer könnte sich besser auf ihre Aufgaben und die gegen sie gerichteten Angriffe konzentrieren, wenn es nicht ständig Störfeuer von der SPD gäbe.

    Deutlich sichtbar wird der interne Stress dieser Tage in Bayern, wo sich CSU und SPD wie die Kesselflicker über die große Koalition in Berlin streiten. Nahles schwächt zudem die deutsche Position bei den zukunftsweisenden Verhandlungen über die Verteilung der EU-Spitzenposten. Kanzlerin Angela Merkel muss mit der Bürde nach Brüssel reisen, dass Deutschland zurzeit nur eine instabile Regierungskoalition vorweisen kann. Eine Koalition, von der im Moment niemand sagen kann, ob sie überhaupt hält. Schließlich dürfte das ohnehin schon schlechte Ansehen der Politik und vor allem der Regierungsparteien Union und SPD noch weiter gelitten haben. Wer Politik von außen betrachtet, der lernt von Nahles: Wenn es mir zu viel wird, schmeiße ich hin. Eine Haltung ist das, die sich viele Wählerinnen und Wähler in ihrem Berufsleben nicht leisten könnten.

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