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Kommentar: Nach dem Nobelpreis Lius: Chinas dunkle Seite

Kommentar

Nach dem Nobelpreis Lius: Chinas dunkle Seite

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    Winfried Züfle
    Winfried Züfle Foto: Ulrich Wagner

    Wie würden die westlichen Regierungen wohl entscheiden, wenn sie vor der Wahl stünden: Freiheit für Liu Xiaobo - oder Aufwertung von Chinas Währung? Sich für das erste zu entscheiden, wäre ein Gebot der Menschlichkeit, das zweite ein Akt wirtschaftlicher Vernunft.

    Die westlichen Staatsmänner und -frauen sollten froh sein, dass sie nicht vor dieser Alternative stehen. Sie versuchen eine Gratwanderung zwischen dem Einsatz für die Menschenrechte und dem Wahren wirtschaftlicher Vorteile. Solange sie so moderat - man kann auch sagen feige - eine Demokratisierung in China anmahnen, bleiben die Mächtigen in Peking unbeeindruckt.

    Die wirtschaftliche Lokomotive

    Ähnlich ungerührt lässt diese bisher im übrigen auch der Appell, die Währung aufzuwerten, damit die chinesischen Produkte nicht mehr so leicht die Weltmärkte überschwemmen können. China scheint in einer unanfechtbaren Position. Wirtschaftlich ist das fernöstliche Land derzeit die Lokomotive für alle exportorientierten Nationen, auch für Deutschland. Politisch fühlt sich die Kommunistische Partei mit Hu Jintao an der Spitze fest im Sattel.

    Aber ein schmerzhafter Mückenstich kann selbst einen Elefanten ärgern. Das norwegische Nobelkomitee hat zweifellos eine empfindliche Stelle getroffen, als es den inhaftierten Dissidenten Liu Xiaobo mit der angesehensten Auszeichnung überhaupt bedachte. Die Opposition im Riesenreich China erhielt plötzlich ein Gesicht, das jetzt weltweit präsent ist. Die globale Diskussion über Chinas dunkle Seite ist nicht mehr zu stoppen.

    Der Riese ist ein Zwerg

    Der wirtschaftliche Riese China ist in Sachen Demokratie und Menschenrechte nämlich ein Zwerg. Die Führung in Peking hat sich seit den Zeiten Deng Xiaopings für den Weg der wirtschaftlichen Öffnung entschieden, weigert sich aber standhaft, das politische System ebenfalls zu öffnen. So steht das bevölkerungsreichste Land der Welt de facto im kapitalistischen Lager, ist aber politisch nicht bei den Demokratien angekommen. Wie lange dieser Spagat gut gehen kann, ist fraglich. Auf Dauer wird es nicht funktionieren. Denn auch im Inneren wird dieser Widerspruch immer mehr Sprengkraft entfalten.

    Ein Beweis ist der offene Brief verdienter Parteikader, die als Reaktion auf den Nobelpreis für Liu fordern, dass mit der in der Verfassung verankerten Meinungsfreiheit Ernst gemacht wird. Die Welt braucht China - ökonomisch und beim Klimaschutz. Aber auch China, die kommende Supermacht, braucht die Welt, und sei es nur als Absatzmarkt. Vieles ist in Fluss geraten. Zwar wird Liu wohl eher in ein Flugzeug nach Los Angeles gesetzt werden, als wieder in China lehren zu dürfen. Aber der Ruf nach Freiheit lässt sich auf Dauer nicht unterdrücken.

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