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Kommentar: Nach Kritik an Ländern: Merkel steckt im Corona-Kampf in einer Sackgasse

Kommentar

Nach Kritik an Ländern: Merkel steckt im Corona-Kampf in einer Sackgasse

Stefan Lange
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    Ihre einst scharfen politischen Konturen drohen zu verwischen: Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt im Corona-Kampf auf einmal Nerven.
    Ihre einst scharfen politischen Konturen drohen zu verwischen: Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt im Corona-Kampf auf einmal Nerven. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow sprach kürzlich aus, was nicht sein darf. „Wir Politiker sind doch auch mit den Nerven am Ende“, gab der Linke im Welt-Interview den politischen Offenbarungseid ab. Wenn nun auch Spitzenpolitiker resignieren, ist das ein schlechtes Signal an die Bevölkerung. Lägen nur beim Smartphone-Spielefan Ramelow die Nerven blank, könnte man vielleicht noch darüber hinwegsehen. Mittlerweile ist aber auch der Frau der Geduldsfaden gerissen, auf der im Corona-Kampf die Hoffnungen der allermeisten Deutschen ruhen. Kanzlerin Angela Merkel zeigt Nerven, und das ist nun wirklich schlecht.

    Merkel macht PR bei "Anne Will"

    Die CDU-Politikerin hatte sich am Sonntagabend in die ARD-Talkshow „Anne Will“ eingeladen und durfte dort ungestört von unbequemen Nachfragen nach Herzenslust monologisieren. Die Kommunikationsstrateginnen im Kanzleramt hatten offenbar noch einigen Erklärungsbedarf identifiziert und so konnte Merkel erläutern, dass ihre aufsehenerregende Bitte um Verzeihung kein Zeichen der Schwäche, sondern eins der Stärke gewesen sei. Anschließend hagelte es dann noch Merkel-Kritik am angeblich zu lockeren Corona-Kurs vieler Bundesländer. Führungsstärke sollte so demonstriert werden, doch das ging gründlich daneben.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchte in der ARD-Sendung "Anne Will" Führungsstärke zu zeigen. Das ging daneben.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchte in der ARD-Sendung "Anne Will" Führungsstärke zu zeigen. Das ging daneben. Foto: Wolfgang Borrs, NDR/dpa

    Vergangene Woche hatte sich Merkel unnötig in den Staub geschmissen, um Verzeihung gebeten und erklärt, sie trage als Regierungschefin „die letzte Verantwortung“. Der Kanzlerin wurde von Parteifreunden zwar offiziell Respekt gezollt. Hinter den Kulissen aber zeigten sich viele fassungslos. Ein solches Eingeständnis kann Wählerinnen und Wähler in die Arme anderer Parteien treiben. In der Union ist auf einmal die alte Angst wieder da, dass CDU und CSU Stimmen an die AfD verlieren.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel ändert den Corona-Kurs

    Am Sonntagabend legte die frühere CDU-Vorsitzende deshalb eine 180-Grad-Wende hin. Denn auf einmal sind es nun doch Länderchefs wie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) oder der Saarländer Tobias Hans (CDU), die die Verantwortung für Missmanagement und steigende Infektionszahlen übernehmen sollen. Und nicht mehr Merkel, die in den letzten Tagen mitbekam, dass ihr Vorgehen den Umfragewerten weiter geschadet hat. Ihre Länder-Schelte verschlechterte die Stimmung allerdings weiter. Bei der Videokonferenz der CDU-Spitze am Montag zeigten Hans und andere dem Vernehmen nach keinerlei Bereitschaft, der Kanzlerin zu folgen.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zu Gast in der ARD-Talksendung "Anne Will".
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zu Gast in der ARD-Talksendung "Anne Will". Foto: Wolfgang Borrs, NDR/dpa

    Die Regierungschefin hat sich mit ihrem TV-Auftritt in eine Sackgasse manövriert. Sie hat kein Mittel, die Länder zur Gefolgschaft zu zwingen. Merkel droht zwar mit dem Infektionsschutzgesetz. Doch noch ist juristisch nicht klar, ob sie damit die Länder tatsächlich auf Kurs bringen kann. Und selbst wenn, wären allenfalls minimalste Eingriffe in die Länderkompetenzen denkbar. Ein Gesetz, das dazu missbraucht wird, den Föderalismus auszuhebeln, werden sich die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen nicht gefallen lassen. Streit und Chaos würden noch zunehmen.

    Können es Laschet oder Söder besser?

    Bislang hat Merkel Nervenstärke gezeigt und sich einem Leuchtturm gleich aus dem Corona-Durcheinander erhoben, das Bundes- und Länderminister unter ihr veranstalteten. Jetzt ist sie selbst mittendrin im Pandemiechaos, das heftiger wird, je näher die Bundestagswahl rückt. Aus dem Orientierungspunkt für die verunsicherte Bevölkerung ist ein Irrlicht geworden. Offenbar ist die Zeit gekommen, die Suchscheinwerfer einzuschalten und in der Union nach nervenstarkem Spitzenpersonal Ausschau zu halten, das die Führung übernimmt. CDU-Chef Armin Laschet lehnte es am Montag ab, die Klärung der mit CSU-Chef Markus Söder zu beschleunigen. Beide sollten das noch einmal überdenken. Die Zeit drängt.

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