Dass Peking im Kampf gegen Corona einen ersten Etappensieg errungen hat, daran lässt der derzeit stattfindende Nationale Volkskongress keinen Zweifel: Die Bilder von den 3000 Parteikadern, die dicht an dicht in der Großen Halle des Volkes Platz zur größten parlamentarischen Tagung weltweit Platz genommen haben, senden eine klare Botschaft an die Weltgemeinschaft. Während große Teile der Welt sich nach wie vor im Lockdown befinden, kehrt in der Volksrepublik wieder der politische Alltag ein.
Nur ein fader Beigeschmack bleibt: Dass nämlich ausgerechnet zum Auftakt des politisch wichtigsten Ereignisses in China die Gesundheitsbehörden erstmals keine einzige Neuinfektion im 1,4-Milliarden-Staat vermeldeten, weckt einen unschönen Verdacht. Zu oft hat die Kommunistische Partei ihre Statistiken der politisch gewünschten Realität untergeordnet.
China befindet sich bereits in einer Art neuem Normalzustand
Dabei ist das Erreichte in China beachtlich: Längst befindet sich das Reich der Mitte in einer Art neuem Normalzustand, der sich in der Hauptstadt Peking in durchaus gewohntem Alltag niederschlägt. Die Feierabendstaus sind zurückgekehrt, bis auf einige Insolvenzen haben die Restaurants wieder geöffnet und auch in den Shopping-Vierteln wird wieder eifrig konsumiert. Bis auf die omnipräsenten Gesichtsmasken könnte man die Krise im Alltag glatt vergessen.
Für diesen neuen Normalzustand hat die Bevölkerung einige Opfer erbracht: Die Hälfte der Chinesen befand sich zeitweise unter Quarantäne oder in Ausgangssperren, viele Maßnahmen wie die digitale Überwachung fielen in China drakonischer aus als in den meisten anderen Ländern. Doch trotz des angriffslustigen US-Präsidenten Donald Trump, der China quasi die Schuld an der Pandemie gibt, ist das Gegenteil der Fall: Die ersten Wochen des Virusausbruchs waren zwar von der Inkompetenz der Lokalregierung in Wuhan und Vertuschungsaktionen geprägt. Doch nach drei Wochen hat die Volksrepublik so effizient und drastisch gegen das Virus gekämpft wie nur wenige andere Staaten.
Die anfängliche Paranoia hat sich wieder gelegt
Dennoch wird die Schuldfrage politisch ausgenutzt: Von einem US-Präsidenten, der mit einer anti-chinesischen Kampagne von den Problemen mit seinem eigenen Krisenmanagement ablenken möchte. Aber auch von der chinesischen Staatsführung, die sich mit einer beispiellosen Propaganda als überlegenes System präsentiert, welches nach der erfolgreichen Virusbekämpfung nun mit Maskenlieferungen die Welt rettet.
Vor der eigenen Bevölkerung hat die Regierung – auch dank der massiven Internetzensur – die politische Krise bislang vergleichsweise glatt überstanden. Wirtschaftlich jedoch könnte sich eine größere Bedrohung für die Kommunistische Partei zusammenbrauen: Auch wenn die heimische Produktion wieder anzieht, leidet das Land nun unter der derzeit massiv eingebrochenen Nachfrage aus dem Ausland. Es ist nicht so sehr das ausbleibende Wirtschaftswachstum, welches die Legitimität der Regierung gefährdet, sondern vielmehr der fragile Arbeitsmarkt. Jeder Landarbeiter, der nicht in Lohn und Brot ist, kann schnell zur tickenden Zeitbombe für die gesellschaftliche Stabilität werden, denn in China fällt niemand in ein sicherndes soziales Netz.
Außenpolitisch stehen stürmische Zeiten an
Außenpolitisch stehen überdies stürmische Zeiten für China bevor: Der Konflikt mit den USA wird sich weiter verschärfen, zumal die Regierung in Peking beim Nationalen Volkskongress keinen Zweifel daran gelassen hat, dass sie nicht klein beigeben wird. Im Gegenteil: Nach den Worten von Außenminister Wang Yi will China seine nationalen Interessen künftig wesentlich aktiver verteidigen als bisher.
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