Die Aufregung ist groß bei der CDU. Wer soll die Partei in die Zukunft führen? Wer kann das Vakuum füllen, das die langjährige Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel hinterlassen hat? Antworten darauf soll eine Mitgliederbefragung bringen, fordern einige Stimmen aus der Basis. Nicht mehr in den Hinterzimmern dürfe über den Parteivorsitz entschieden werden, das müssten die Mitglieder tun. Soweit, so unüberlegt.
Parteitage bieten die Möglichkeit für konzentrierte Debatten
Als es der CDU gut ging, also etwa in den Zeiten der Ära Merkel, war es noch völlig in Ordnung, dass die Delegierten eines Parteitages über den Vorsitz entschieden. Die Männer und Frauen, die entsandt wurden, hatten das Vertrauen ihrer Parteifreunde vor Ort. Dieses Delegierten- oder auch Delegationsprinzip hat sich in Deutschland über Jahrzehnte bewährt. Es trägt nicht nur Parteitage, sondern ist im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips ein wichtiger Baustein der Demokratie. Im Moment geht es der CDU nicht so gut, das allein kann aber kein Grund sein, Bewährtes über den Haufen zu werfen. Nur weil etwas alt ist, ist es nicht automatisch unmodern.
Klar, das Internet bietet immer mehr Partizipationsmöglichkeiten, eine Mitgliederbefragung ist heute deutlich einfacher vorzunehmen als früher. Wenn die CDU ihren neuen Vorsitzenden oder ihre neue Vorsitzende von der Basis bestimmen lässt, stellt sie allerdings die Auswahlverfahren der Vergangenheit in Frage. Parteitage sind zudem nicht nur Abstimmungsmaschinen. Es finden konzentrierte Debatten statt und die werden nur gut, wenn sie zentriert abgehalten werden. Wenn sich alle beteiligen, ufert die Diskussion aus. Es erlangen schlimmstenfalls diejenigen die Meinungshoheit, die sich mit der Technik am besten auskennen. Die Statuten der CDU sind außerdem so zu lesen sind, dass ganz am Ende doch wieder ein Parteitag entscheiden muss.
Die SPD hat ihre Parteispitze per Mitgliederbefragung und Mitgliederentscheid bestimmt. Die Wahlbeteiligung lag bei mageren 54,9 Prozent und es wurde mit Olaf Scholz ein Kandidat abgewählt, der jetzt Kanzler werden soll. Wie ein erfolgreicher demokratischer Basisprozess sieht das nicht aus. Das sollte der CDU eine Lehre sein.