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Kommentar: Mehr Macht für Brüssel ist der falsche Weg

Kommentar

Mehr Macht für Brüssel ist der falsche Weg

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    Juncker träumt die alte Vision vom europäischen Superstaat - der falsche Weg, meint unser Kommentator.
    Juncker träumt die alte Vision vom europäischen Superstaat - der falsche Weg, meint unser Kommentator. Foto: Virginia Mayo (dpa)

    Wohin steuert Europa? Was muss passieren, dass die EU handlungsfähiger wird, sich im globalen Wettbewerb behauptet und wieder die Herzen der Menschen erreicht? Was soll künftig die EU, was der – unverwüstliche – Nationalstaat erledigen? Wie bekommt Europa seine Krisen gemeinsam in den Griff? Über all diese Fragen sollte nach der historischen Zäsur des britischen Ausstiegs eine offene Reformdebatte stattfinden – mit dem Ziel, dem großartigen Einheitsprojekt neuen Schwung zu verleihen. Geschehen ist, allen großen Worten zum Trotz, herzlich wenig.

    Auch im Bundestagswahlkampf spielt das Thema keine nennenswerte Rolle. Mit Ausnahme der antieuropäischen AfD bekennen sich alle relevanten Parteien zur EU. Konkrete Konzepte jedoch, die den Bürgern ein genaueres Bild über die deutsche Marschroute liefern könnten, gibt es nicht. Man hält sich bedeckt und redet lieber erst nach der Wahl darüber, wohin die Reise gehen soll. Und das, obwohl für Deutschland bei dieser „Neugründung Europas“ (Macron) viel auf dem Spiel steht und starke, von Frankreich angeführte Kräfte auf die Umwandlung der EU in eine Transfer-, Haftungs- und Sozialunion dringen – zulasten des Klassenprimus, der weniger wettbewerbsfähigen Staaten unter die Arme greifen und nicht so knauserig sein soll. Im europäischen Nord-Süd-Konflikt geht es im Kern um Umverteilung und um den Versuch, das sogenannte deutsche „Spardiktat“ mithilfe jener Mehrheit zu brechen, die auch hinter der zugunsten der Schuldenstaaten betriebenen Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank steht.

    Juncker vertritt eine alte Vision

    Man wüsste – dazu sind Wahlkämpfe ja da – schon gerne, wie sich Merkel, Schulz & Co. in diesem an Intensität gewinnenden Richtungsstreit positionieren. Immerhin wissen wir jetzt, was Brüssel und die EU-Kommission im Schilde führen. Von der „ergebnisoffenen“ Diskussion, die Präsident Juncker 2016 versprochen hatte, ist keine Rede mehr. Beflügelt davon, dass der Brexit nicht Schule macht und antieuropäische Parteien Wahlen verloren haben, setzt Juncker unverdrossen auf „mehr Europa“. Seine Rede zur Lage atmet den Geist jener Vision eines europäischen Staats, die längst am Widerstand der Europäer und deren Wunsch nach einem Höchstmaß an Selbstbestimmung und demokratischer Transparenz gescheitert ist. Natürlich muss die EU enger zusammenrücken, gemeinsame Probleme mit vereinten Kräften lösen und außenpolitisch öfter mit einer Stimme sprechen. Aber die im Brüsseler Raumschiff gewälzten Pläne zielen in die falsche Richtung.

    Junckers Vorschläge sind reiner Unfug

    Statt sich auf das schon heute Machbare zu konzentrieren, will Juncker mehr Geld zur Umverteilung, mehr Zentralismus, mehr Macht für die Kommission, neue Mammutbehörden – auf Kosten nationaler Parlamente, die etwa bei der Kreditvergabe gar nichts mehr zu melden hätten. Das Motto lautet: Wir haben Probleme und lösen sie dadurch, dass Brüssel das Sagen hat, widerstrebende Mitgliedstaaten notfalls überstimmt und Verträge passend interpretiert werden. Und wenn die Währungsunion zum Spaltpilz Europas wird, dann kriegen halt alle den Euro und vorher „Heranführungshilfen“. Dieser Vorschlag ist, zumal vor dem lehrreichen Hintergrund des Falles Griechenland und der ungelösten akuten Eurokrise, reiner Unfug.

    Ja, die EU braucht einen Neuanfang und eine Reform, die die Handlungsfähigkeit Europas verbessert und die Unwuchten der Währungsunion abfedert. Der zentralistische Ansatz jedoch ist falsch, weil er weder der Vielfalt Europas noch dem Wunsch der meisten Bürger nach übersichtlichen Verhältnissen entspricht.

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