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Kommentar: Lynchjustiz im Fall Susanna: Nein. Justiz: Ja.

Kommentar

Lynchjustiz im Fall Susanna: Nein. Justiz: Ja.

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    Nach dem gewaltsamen Tod der 14-jährigen Susanna findet in Mainz eine Serie von Demonstrationen und Gegendemonstrationen statt.
    Nach dem gewaltsamen Tod der 14-jährigen Susanna findet in Mainz eine Serie von Demonstrationen und Gegendemonstrationen statt. Foto: Frank Rumpenhorst, dpa

    Es gibt Verbrechen, die geben Rätsel auf.

    Der Fall Susanna (und diesen Satz hinzuschreiben, schmerzt schon, denn der Tod eines 14 Jahre alten Mädchens kann nie bloß ein Fall sein) gehört zu diesen rätselhaften Ereignissen. Nicht nur die Verrohung eines mutmaßlichen jungen Täters lässt aufhorchen, ja aufschrecken. Sondern auch die gar nicht zynisch gemeinte Frage: Warum bewegt uns gerade dies so?

    Susanna ist nicht der erste Fall

    Denn es ist ja, so traurig das ist, keineswegs der erste Fall. Was Susanna widerfuhr, erinnert an Freiburg, wo ein Flüchtling eine junge Frau vergewaltigte und ertrinken ließ. Es erinnert ebenso an ein grausiges Geschehen in Kandel, wo ein afghanischer Asylbewerber dringend verdächtigt wird, ein 15 Jahre altes Mädchen erstochen zu haben. Auch handelt es sich keineswegs um das erste Mal, dass Behördenversagen zum Himmel schreit, sich die Fehler und Versäumnisse der Flüchtlingspolitik wie in einem Brennglas bündeln. Auch vor dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt wurden groteske Fehler begangen, in der Kölner Silvesternacht sowieso.

    Und die Erklärungsnot der Politik ist ebenfalls nicht neu. So wenig wie Kanzlerin Merkel nun im TV erläutern kann, weshalb es Behörden offenbar reichte, dass sich Menschen schriftlich selbst zu Syrern erklärten, so wenig konnte sie lange ihre

    Dass die Bestürzung über den Tod von Susanna K. solche Wellen schlägt, liegt an etwas anderem: die Herausforderungen der Flüchtlingskrise sind andere geworden.

    Das Zusammenleben im Alltag beschäftigt die Menschen, nicht mehr die schnelle Versorgung von Flüchtlingen

    Wir haben die Phase überwunden, in der akute Überforderung drohte, für manche gar ein Staatsversagen. Es geht nicht mehr darum, wie wir Menschen möglichst schnell versorgen oder aufnehmen können – sondern wie wir dauerhaft im Alltag mit vielen neuen Menschen zusammenleben.

    Und das schafft neue Probleme, keine Frage. Natürlich gilt es die differenziert zu betrachten, etwa mit Blick auf die Kriminalitätsstatistik. So stimmt zwar, dass auffällig viele Asylsuchende schwerer Straftaten verdächtigt werden, vor allem wenn sie keine Bleibeperspektive haben. Sie sind aber auch meist Männer, oft jung – und in diesem Geschlecht und Alter werden auch Deutsche auffällig häufig straffällig.

    Die Schuld des Täters hat ein Richter zu bestimmen

    Ebenso dürfen wir unsere Prinzipien nicht verraten. Dazu gehört etwa, dass wir keine Lynchjustiz in Deutschland wollen. Deswegen ist es keine gute Entwicklung, wenn etwa die Bild-Zeitung alle paar Minuten eine Eilmeldung herausposaunt, wo der mutmaßliche Mörder von Susanna wann gelandet sei. Dessen Schuld hat immer noch ein Richter zu bestimmen, nicht ein Chefredakteur oder ein wütender Mob in sozialen Netzwerken.

    Aber gerade damit dieses rechtsstaatliche Fundament stark bleibt, müssen wir rechtsstaatliche Prinzipien konsequent achten. Dazu gehört, dass Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, unser Land so schnell wie möglich verlassen müssen. Ob dies in Ankerzentren sichergestellt werden soll oder anders, soll die (schon zerstrittene) Große Koalition im Detail klären.

    Einigen muss sich diese Große Koalition. Aber die verharrt im Streit – weil es der Kanzlerin nur noch um ihr politisches Vermächtnis zu gehen scheint, die CSU von Panik vor der Landtagswahl im Oktober getrieben wirkt – und die SPD sowieso nicht mehr weiß, was sie will. So spielt die Politik mit dem wichtigsten Gut, das jede „Zusammenlebkultur“ braucht: gesellschaftlicher Rückhalt.

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