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Kommentar: Landesverrat-Vorwurf nutzt nur den Betreibern von Netzpolitik.org

Kommentar

Landesverrat-Vorwurf nutzt nur den Betreibern von Netzpolitik.org

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    Markus Beckedahl (r), Gründer des Blogs "Netzpolitik.org", und Autor Andre Meister profitieren am meisten von der Aufregung um ihren Blog.
    Markus Beckedahl (r), Gründer des Blogs "Netzpolitik.org", und Autor Andre Meister profitieren am meisten von der Aufregung um ihren Blog. Foto: Britta Pedersen (dpa)

    Die Mühlen der Justiz mahlen langsam – und sie mahlen nicht immer im gleichen Takt. In dem heillosen Durcheinander, das Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft mit ihrem Vorgehen gegen zwei Berliner Blogger angerichtet haben, ist der Vorwurf des Landesverrates inzwischen zwar so gut wie vom Tisch. Als Musterbeispiel für ein geordnetes Verfahren, von dem ganze Generationen von Jurastudenten lernen können, wird dieser Fall allerdings nicht in die deutsche Rechtsgeschichte eingehen. Im Gegenteil.

    So widersprüchlich wie die Vorgehensweisen von Hans-Georg Maaßen, dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, und Generalbundesanwalt Harald Range ist auch der Umgang ihrer Dienstherren mit den Ermittlungen gegen zwei Aktivisten, die Dokumente ins Internet gestellt haben, die der Verfassungsschutz als vertraulich deklariert.

    Justizminister Heiko Maas, früh eingeweiht und offenbar bis ins Detail informiert, hat Range faktisch zum Abschuss freigegeben, obwohl der zunächst nur getan hat, was seine Aufgabe ist: einem Verdacht nachzugehen. Innenminister Thomas de Maizière dagegen, der sich für den Vorgang selbst nicht groß interessiert hat, stärkt Maaßen demonstrativ den Rücken. Die Frage, wer den Fall letztlich in den Rang einer Staatsaffäre erhoben hat und warum, bleibt dabei unbeantwortet.

    Mäßig beachtetes Internetportal veröffentlicht Material von mäßiger Brisanz

    Wir Journalisten reagieren sehr sensibel, wenn der Staat versucht, uns ins Handwerk zu pfuschen. Eine unabhängige, kritische Presse ist ein konstitutives Element einer jeden Demokratie, sie gehört zu ihr wie freie Wahlen, die Gewaltenteilung, der Schutz von Minderheiten und eine unabhängige Justiz. Die Freiheit der Presse aber ist ebenso wenig in Gefahr wie die nationale Sicherheit, wenn ein mäßig beachtetes Internetportal Material von mäßiger Brisanz veröffentlicht und ins Radar der Justiz gerät.

    Dem Verfassungsschützer Maaßen ging es mit seiner Anzeige gegen die Blogger um etwas anderes: Er will die undichte Stelle in seiner Behörde oder im Bundestag finden, aus der dieses Material seinen Weg nach draußen fand. Das ist sein gutes Recht – auch wenn der Zweck nicht unbedingt die Mittel heiligt.

    In diesem Fall hat Maaßen zur argumentativen Untermauerung seiner beiden Anzeigen nicht von einem Dienstgeheimnis gesprochen, das verraten wurde, sondern von einem Staatsgeheimnis – und der Generalbundesanwalt ist über den Stock, den Maaßen ihm hingehalten hat, gesprungen. Wo es um Landesverrat geht, darf er auch gegen Journalisten ermitteln, auch wenn nicht jeder Blogger, der sich Journalist nennt, tatsächlich einer ist.

    Ganze Aufregung nutzt nur Betreibern von Netzpolitik.org

    Vier Tage nach Bekanntwerden einer Affäre, die genau gesehen keine ist, sind plötzlich alle klüger. Selbst die Kanzlerin lässt ausrichten, dass sie den Vorwurf des Landesverrats für überzogen hält. Besonders befremdlich ist dabei, einmal mehr, die Rolle des Justizministers. Der wusste zwar schon seit Mai von den Anzeigen und den Ermittlungen, klang am Freitag aber, als habe er kurz entschlossen gehandelt und dem Generalbundesanwalt unter dem Eindruck der Ereignisse Beine gemacht. Hatte Maas die Zweifel an Ranges Vorgehen, von denen er jetzt spricht, vor acht Wochen noch nicht? Oder hat er nur auf eine Gelegenheit gewartet, sie telegen zu artikulieren?

    Am Ende nutzt die ganze Aufregung nur den Betreibern von Netzpolitik.org, die jede Menge Publicity und vermutlich noch mehr Spenden gewonnen haben.

    Damit sich so etwas nicht wiederholt, hilft nur eine Gesetzesänderung nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten: Dort macht sich nicht der strafbar, der eine vertrauliche Information veröffentlicht, sondern nur der, der sie ihm steckt.

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