Ideologien taugen nichts für Krisenzeiten. Wenn es „unter den Füßen brodelt“, wie Kardinal Reinhard Marx gerne sagt, ist rasches, pragmatisches Handeln – etwa wie jetzt mit einem Bollwerk aus Kurzarbeit – gefragt. In der Pragmatismus-Disziplin liefern Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz Höchstleistungen ab. In Ausnahmesituationen wie dem Finanzmarkt-Desaster der Jahre 2008 und 2009 oder der Corona-Pandemie wirkt Ordnungspolitik, also das Pochen auf eherne, rein marktwirtschaftliche Glaubenssätze, wie ein Ladenhüter.
In der Coronakrise gilt: So viel Staat wie möglich in der Wirtschaft
Daher muss das vom ehemaligen SPD-Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller beschworene Prinzip „So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig“ zwar nicht über Bord geworfen, aber neu interpretiert werden. Schließlich kann der Staat, wenn Corona eine Volkswirtschaft durchknetet, ein Fels in der Brandung sein. In einer prekären Lage darf die Devise ausnahmsweise einmal lauten: So viel Staat wie möglich.
Ist die Krise ausgestanden, muss das Ruder herumgerissen werden, sonst gefährdet das den wirtschaftlichen Erfolg als Basis für sozialpolitischen Verteilungsspielraum. Doch ein stärkerer marktwirtschaftlicher Kurs ist angesichts des Corona-Desasters leider noch nicht möglich. Es bedarf also bis in das Jahr 2021 hinein des von Scholz beschworenen „Klotzens“, ja ein Super-Wumms muss durch Deutschland gehen.
Der reiche Onkel, das sind wir alle
Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat das humorvoll mit einer Erinnerung an seine Kindheit beschrieben: „Ein Onkel, der was mitbringt, ist besser als eine Tante, die Klavier spielt.“ Wie segensreich wirkt es, dass unser Onkel Staat finanziell prächtig ausgestattet ist, weil die Wirtschaft fast zehn Jahre boomte und eine vernünftige Haushaltspolitik betrieben wurde.
Ein reicher Onkel ist in Krisenzeiten Gold wert. Der Onkel sind wir alle. Die Bürger profitieren etwa davon, dass die Bundesagentur für Arbeit dank reichlich sprudelnder Versichertengelder eine Rücklage von fast 26 Milliarden Euro angesammelt hatte. Die Summe ermöglicht Kurzarbeit für Millionen Menschen. Ihnen bleibt Arbeitslosigkeit, die teurer als Kurzarbeit ist, erspart. Das stabilisiert eine Demokratie in einer schwierigen Phase.
Kurzarbeit ist in der Coronakrise alternativlos - aber auch kein Allheilmittel
Ein Staat, der sich wie der deutsche in Krisenzeiten als derart handlungsfähig erweist, erscheint als die beste Antwort auf die Versuchungen des Populismus. Nicht nur deswegen ist es alternativlos, die segensreiche und teure Kurzarbeit bis Ende 2021 fortzusetzen, so lange, bis die Wirtschaft ins Laufen kommt. Dabei profitieren Unternehmer wie Beschäftigte gleichermaßen von der cleveren Jobsicherung. Denn wenn es wieder losgeht, wissen Betriebsinhaber ihre Mannschaften an Bord und müssen sie nicht wie in den USA aufsammeln.
Und ist die Krise vorüber, wird der Fachkräftemangel wieder zum Mega-Problem für Unternehmer. Dass Deutschland nach der Finanzkrise schnell durchgestartet ist, verdankt das Land auch dem Erfolgsmodell „Kurzarbeit“. Längst ist die Form des Stellenerhalts als „German Jobwunder“ ein Exportschlager geworden. Sogar die eher auf die Selbstheilungskräfte des Marktes setzenden Briten haben eine Art Kurzarbeitergeld eingeführt, natürlich ohne ihm das Siegel „Made in Germany“ zu gönnen.
Dabei ist Kurzarbeit kein Allheilmittel und nicht frei von Nebenwirkungen. Ein negativer Effekt besteht darin, dass die Methode Unternehmen, die schon vor der Corona-Krise krank waren, künstlich am Leben hält. Unausweichliche Pleiten werden so auf die lange Bank geschoben. Derlei Nebenwirkungen müssen aber in Kauf genommen werden und sind eingepreist in der erfolgreichen pragmatisch-deutschen Krisen-Strategie.
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