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Kommentar: Jemen am Abgrund: Diesen Krieg kann keiner gewinnen

Kommentar

Jemen am Abgrund: Diesen Krieg kann keiner gewinnen

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    Arbeiter desinfizieren eine Straße in Jemens Hauptstadt Sanaa, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.
    Arbeiter desinfizieren eine Straße in Jemens Hauptstadt Sanaa, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Foto: Mohammed Mohammed, XinHua, dpa (Archivbild)

    Nach fünf Jahren Krieg, Hunger und Seuchen steht der Jemen am Abgrund – doch die Vereinten Nationen werden ihre Hilfe für das ärmste Land der arabischen Welt drastisch zurückfahren müssen. Bei einer internationalen Geberkonferenz haben rund 30 Länder zwar 1,35 Milliarden Dollar an Hilfen für den Jemen zugesagt. Doch das ist nur etwas mehr als die Hälfte der Summe, die das Land in der zweiten Jahreshälfte braucht. Den Wettlauf gegen die Zeit, den Generalsekretär António Guterres beklagt, könnten der Jemen und die Vereinten Nationen nun verlieren. Auch der Krieg geht nach der Konferenz weiter.

    Saudi-Arabien sagte 525 Millionen Dollar zu, die USA wollen 225 Millionen zahlen, und Großbritannien stellte 200 Millionen in Aussicht. Deutschland versprach 125 Millionen Euro. Doch einige reiche Länder der Region, wie etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, gaben keine Hilfszusagen ab. Dabei werden allein 180 Millionen Dollar für den Kampf gegen die Corona-Pandemie im Jemen gebraucht.

    Auf die Einmischung in den Konflikt folgte die Eskalation

    Der Albtraum der rund 28 Millionen Einwohner begann, als eine internationale Koalition unter der Führung von Saudi-Arabien in den Konflikt zwischen den iranisch unterstützten Huthi-Rebellen und der jemenitischen Regierung eingriff. Der damalige saudische Verteidigungsminister und heutige Kronprinz Mohammed bin Salman hoffte auf einen raschen Sieg über die schiitischen Rebellen. Doch die Huthis erwiesen sich als stärker als erwartet und eroberten nicht nur weite Teile des Landes, sondern griffen sogar saudische Städte mit Raketen an. Die saudischen Militärs antworteten mit vernichtenden Luftangriffen, bei denen sie vom Westen mit Waffen und logistischer Hilfe unterstützt wurden. Der Iran lieferte unterdessen weiter Rüstungsgüter an die Huthis.

    Heute steht fest: Der Stellvertreterkrieg zwischen den sunnitischen Saudis und der schiitischen Führungsmacht Iran, der im Jemen ausgetragen wird, ist von keiner Kriegspartei militärisch zu gewinnen. Trotzdem gehen die Gefechte weiter. Risse in der saudischen Koalition wegen des Ausstiegs der Emirate aus dem Krieg und ihrer Unterstützung für jemenitische Separatisten machen die Lage noch instabiler. Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nimmt keine Seite.

    Der Krieg macht es Krankheiten leicht

    Rund 100.000 Menschen sind bisher ums Leben gekommen, 24 Millionen Jemeniten sind auf Hilfslieferungen angewiesen, zwei Millionen Kinder stark unterernährt. Die Zerstörung der Infrastruktur begünstigt die Ausbreitung von Krankheiten. So wütete im Jemen in den vergangenen Jahren die schlimmste Cholera-Epidemie der Welt: Seit 2016 hat die Uno rund 2,3 Millionen Ansteckungen und fast 4000 Tote gezählt. Und nun hat das ohnehin von Krieg und Cholera zerrüttete Gesundheitssystem auch noch den Kampf gegen die Corona-Pandemie zu führen. Wie viele Menschen tatsächlich schon erkrankt oder gar gestorben sind, ist unklar. Beide Seiten verschleiern das Ausmaß der Ausbreitung.

    Ausgerechnet in dieser kritischen Situation geht 31 von 41 Hilfsprogrammen der Vereinten Nationen das Geld aus. Mindestens 1,6 Milliarden Dollar seien nötig, um katastrophale Einschnitte bei der Hilfe zu verhindern und Millionen von Menschen vor dem Hungertod zu bewahren, schätzt Lise Grande, die Koordinatorin der UN-Hilfe für den Jemen. Nachdem diese Mindestsumme nicht erreicht wurde, richten sich alle Augen jetzt auf Saudi-Arabien, das in diesem vergessenen Konflikt einerseits als Wohltäter auftreten will, zugleich aber eine Hauptrolle im Krieg spielt. Menschenrechtler warnen nicht ohne Grund, die Regierung in Riad wolle sich mit ihren Millionenhilfen eine Art Persilschein ausstellen.

    Rücksicht auf die Menschen nimmt niemand.

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