Es klang wie die aberwitzige Prahlerei eines notorischen Egomanen, als ein Bauunternehmer und Reality-TV-Star im Januar 2016 behauptete, er könne mitten in Manhattan einen Menschen erschießen und niemand werde das kümmern. Heute ist dieser Mann Präsident der USA – und kann sich, so scheint es zumindest, offenbar wirklich alles erlauben.
Bevor Donald Trump ins Weiße Haus einzog, hätte man es für undenkbar gehalten, dass der mächtigste Mann der Welt den Präsidenten eines schutzbedürftigen Verbündeten wie der Ukraine mit der Verweigerung einer schon gebilligten Militärhilfe erpresst. Dass er von ihm eine Schmutzkampagne gegen seinen Rivalen Joe Biden verlangt und so die Wahlen in den USA zu manipulieren versucht. Dass er seine Botschafterin in Kiew wegmobbt und Beweise in Geheimordnern beiseiteschaffen lässt.
Trumps Freispruch macht den Korruptionsskandal zur Staatsaffäre
All das hat Trump getan, wie etliche Zeugen unter Eid ausgesagt haben – selbst führende Vertreter seine Partei, der Republikaner, bestreiten die Fakten in der Zwischenzeit nicht mehr ernsthaft. Das alleine wäre schon schlimm genug. Doch dass der Senat den Präsidenten reinwäscht, ohne dessen Fehlverhalten ernsthaft zu überprüfen, macht den Korruptionsskandal zur Staatsaffäre.
Amerikas Gründerväter haben dem Präsidenten sehr weitgehende Rechte eingeräumt. Auf der anderen Seite übertrugen sie dem Kongress aber die Aufgabe, den Staats- und Regierungschef zu kontrollieren. Diese Arbeit hat die Mehrheit des Senats demonstrativ verweigert. In einem Amtsenthebungsverfahren kommt den 100 Senatoren die Funktion der unparteiischen Geschworenen zu, die am Ende auf Grundlage der Fakten urteilen. Doch die republikanischen Mitglieder der Kammer haben von Anfang an erklärt, dass sie ihre Rolle nicht in der Aufklärung, sondern in der Verteidigung des Präsidenten sehen. Sie haben keine Beweise vom Weißen Haus angefordert und die Vorladung der wichtigsten Augenzeugen verweigert. Keine Person, die direkt an Trumps Intrige beteiligt war, wurde angehört - weder Stabschef Mick Mulvaney, noch Außenminister Mike Pompeo oder Trumps Anwalt Rudy Giuliani.
Impeachment-Prozess interessiert die US-Amerikaner weniger als erwartet
Als reiche das noch nicht, hat der frühere Sicherheitsberater John Bolton mit der Vorlage eines Buchmanuskripts in den vergangenen Tagen um eine Vorladung geradezu gebettelt. Der Hardliner – bis zu seinem Rauswurf eines der einflussreichsten Regierungsmitglieder - beschreibt detailliert, wie Trump früh auf die Biden-Intrige drängte. Doch auch Bolton durfte nicht aussagen. Mit 51 zu 49 Stimmen hat die republikanische Senatsmehrheit beschlossen, die Bücher ohne weitere Untersuchung zu schließen, und den Impeachment-Prozess endgültig als bittere Farce entlarvt. Der für diesen Mittwoch erwartete Freispruch sagt viel über den Zustand der republikanischen Partei und die Krise des amerikanischen Systems aus. Die Mitglieder der Mehrheitspartei im Senat sind zu Erfüllungsgehilfen des Präsidenten verkommen, die im Dienste des nackten Machterhalts keine konservativen Prinzipien und keine moralischen Skrupel mehr kennen.
Derweil führt der Präsident das Land mit den Methoden eines Mafia-Bosses, und die oppositionellen Demokraten finden kein Rezept dagegen. Das Impeachment-Verfahren hat weniger Amerikaner interessiert als erwartet. Solange die Wirtschaft brummt, bleiben Trumps Umfragewerte stabil. Und welche Auswirkungen die dilettantische Durchführung der Vorwahl im Bundesstaat Iowa auf das Wählerverhalten haben wird, lässt sich noch gar nicht absehen. Die Ergebnisse können nachgeliefert werden, der desaströse Imageverlust lässt sich so schnell nicht heilen.
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