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Kommentar: Großbritannien braucht ein neues Referendum

Kommentar

Großbritannien braucht ein neues Referendum

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    Demonstration für ein zweites Referendum über den EU-Austritt: «No Brexit is better than a bad Brexit» (kein Brexit ist besser als ein schlechter Brexit).
    Demonstration für ein zweites Referendum über den EU-Austritt: «No Brexit is better than a bad Brexit» (kein Brexit ist besser als ein schlechter Brexit). Foto: Louise Wateridge, ZUMA Wire, dpa (Archiv)

    Winston Churchill, der legendäre Kriegskanzler, wurde einmal gefragt, was Britischein ausmache. Churchills Antwort fiel kurz aus: Die Briten wiesen eine einzigartige Eigenschaft auf – ihnen würde es Freude bereiten, schlechte Nachrichten zu hören. Genauer gesagt, sie seien erst richtig glücklich, wenn sie das Allerschlechteste zu hören bekämen.

    Diese Eigenschaft half Churchill im Zweiten Weltkrieg, als er gegen die scheinbar übermächtigen deutschen Angreifer nur Blut, Schweiß und Tränen versprechen konnte. Doch ist diese Eigenschaft den Briten abhandengekommen: Die aktuelle Brexit-Posse offenbart nämlich eine (neue) britische Tugend: die Realität und missliebige Fakten einfach auszublenden.

    So war es während der unsäglichen Brexit-Kampagne, in der die Befürworter eines britischen Ausstieges ihren Mitbürgern das Blaue vom Himmel versprachen, sobald die Europäische Union sie nicht mehr stranguliere. Und so geschieht es nun wieder, da Premierministerin Theresa May einen Kompromiss mit Brüssel geschlossen hat und ihn durchs Parlament bringen will.

    Hard Brexit: Die komplette Abspaltung

    Erneut suggerieren die unbeirrten Brexit-Fans, selbst so ein überschaubares Zugeständnis wie eine Übergangsfrist in der Zollunion verrate die Ideale der sofortigen und vollkommenen Befreiung vom europäischen Joch – und es sei besser, auf eine Einigung zu pfeifen und lieber die komplette Abspaltung zu wählen, den hard Brexit also.

    Sie behaupten dies, obwohl so gut wie jedes Argument eines vermeintlichen Brexit-Segens längst widerlegt worden ist. Der Rest der Welt hat keineswegs auf ein befreites Großbritannien gewartet, um flugs bilaterale Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich abzuschließen – der britische Handelsminister muss stattdessen durch Länder wie Mauretanien touren, um dort neue Handelskontakte zu knüpfen. Mehr noch: Nichts hat den Briten – die über Jahrzehnte dank ihrer (Welt-)Sprache, ihrer special relationship mit den USA und ihrer Vergangenheit die Illusion hegen durften, eine Weltmacht zu sein – ihren globalen Abstieg krasser vor Augen geführt als die Brexit-Debatte.

    Eine Nation mit knapp 66 Millionen Einwohnern wird außerhalb der EU eben zur überschaubaren Größe. Und ja, die ökonomischen Folgen selbst einer moderaten Abspaltung, etwa die Abwanderung von Firmen und Finanzsektor, sind bereits zu spüren. Der Rest des Kontinents überbietet sich in Lockangeboten an Londoner Banker.

    Brexit war eine der blödsinnigsten Ideen der Geschichte

    Natürlich ist das einem Demagogen wie Ex-Außenminister und Brexit-Hetzer Boris Johnson egal, der mittlerweile für ein Gehalt von 275.000 Pfund absurde Kolumnen schreibt. Und der britischen Boulevardpresse ist dies ohnehin gleichgültig, schließlich treibt ihr Furor gegen Brüssel seit Jahren die Auflage hoch. Was schaden da schon Fake News?

    Der Rest des Landes sollte aber endlich die Fakten zur Kenntnis nehmen: dass der Brexit eine der blödsinnigsten Ideen der Geschichte war. Daher sollte die Opposition gegen Mays Kompromissangebot stimmen. Immerhin bringt schon das für den Bald-Zaungast Großbritannien genug Schaden mit sich, ohne irgendeinen erkennbaren Nutzen.

    Dann könnte das Parlament ein neues Referendum fordern. Und diesmal könnten die Bürger eine klare Wahl haben - zwischen den nun erkennbar schlimmen Folgen selbst eines moderierten Brexits und dem Verbleib in der EU. Wäre das undemokratisch? Aber überhaupt nicht. Schon Bertolt Brecht wusste: Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war. Ausgerechnet das Land, das die Aufklärung mit erfunden hat, braucht: Aufklärung. Ein

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